Tanzimprovisation
Im Sommer, kurz vor der Spielzeitpause, präsentiert Emil Wedervang Bruland mit seiner Ballettcompagnie ein spannendes neues Format. Es setzt die Idee um, Tanz von der Bühne in den urbanen Raum zu bringen, in einer ungewöhnlichen öffentlichen Umgebung hautnah und unmittelbar erfahrbar zu machen.
Tragendes Element ist die Improvisation, durch die die Musik auf immer wieder neu gespürte und erlebte Weise ihren Ausdruck in Bewegung findet. So kann jede Vorstellung zu einem einzigartigen Erlebnis werden.
Alle sind eingeladen, sich bei freiem Eintritt von der Kreativität und Tanzkunst der Tänzerinnen und Tänzer unter anderem auf dem Museumsberg im neu gestalteten Museumshof verzaubern zu lassen. Eine Anmeldung vorab ist nicht notwendig!
Eintrittskarten für den Besuch der NordArt erhalten Sie an den Kassen vor Ort oder online unter www.nordart.de.
Hautnah, das ist unmittelbare Nähe: Ein Gefühl von Berührung, Wärme und Präsenz, so dicht, dass keine Distanz mehr spürbar ist. Hautnah lässt die Grenzen zwischen einem selbst und dem Gegenüber verschwimmen. Man nimmt nicht nur die Oberfläche wahr, sondern auch die feinen Signale darunter: den Herzschlag, die Spannung im Körper, den Atem des anderen. Hautnah zu sein heißt, jemandem sehr nahe zu kommen – körperlich oder emotional. Hautnah ist intensiv, unausweichlich, vertraut oder vielleicht sogar überwältigend und macht verletzlich.
Emil Wedervang Bruland und die Ballettcompagnie des Schleswig-Holsteinischen Landestheater lassen Tanz durch Improvisation hautnah und unmittelbar erfahrbar werden. Dabei stellt die Tanzimprovisation eine faszinierende Verbindung von Spontaneität und Körperkultur dar. Sie ist weit mehr als bloßes freies Tanzen – sie ist ein künstlerisches Mittel, das Bewegung, Emotion und Raum zu einem expressiven Ausdrucksgefüge verbindet.
Obwohl das Ballett ursprünglich als traditionsreiche, streng kodifizierte Kunstform bekannt ist, hat sich im Schatten seiner festen Strukturen mit der Zeit eine improvisatorische Praxis entwickelt, die sowohl ästhetisch als auch historisch von Bedeutung ist. Die Wurzeln der Tanzimprovisation reichen tief in die Tanzgeschichte zurück, auch wenn Improvisation im klassischen Ballett lange nur eine marginale Rolle spielte. Doch schon in der höfischen Tanzkultur des 17. und 18. Jahrhunderts, in der jede Bewegung choreografisch minutiös festgelegt wurde, gab es im Rahmen privater Salons erste Experimente tänzerischer Improvisation.
Mit dem Aufbruch der modernen Tanzbewegung im 20. Jahrhundert begann sich das Verhältnis zwischen Struktur und Freiheit dann grundlegend zu wandeln. Wegweisende Künstlerinnen wie Isadora Duncan (1877–1927) und Martha Graham (1894–1991) oder der visionäre Tänzer und Choreograf Merce Cunningham (1919–2009) emanzipierten den Körper von starren Konventionen. Sie verstanden ihn als ein eigenständiges Ausdrucksmedium, als ein Ausdrucksträger innerer Zustände und plädierten für eine Bewegung, die aus dem Moment heraus entsteht.
Daraus konnte sich dann eine bewusste Praxis der Improvisation auch innerhalb professioneller Ballettensembles entwickeln. Insbesondere Choreografen wie William Forsythe ließen sie zu einem zentralen Bestandteil des künstlerischen Prozesses werden. Er entwickelte Methoden, mit denen Improvisation als genuiner Bestandteil der choreografischen Sprache integriert werden konnte und eröffnete so Tänzerinnen und Tänzern neue Wege der Bewegungsgestaltung und Selbstwahrnehmung.
Die ästhetische Qualität der Tanzimprovisation liegt in der Balance zwischen Kontrolle und Loslassen, sie erlaubt ein Spiel mit Zeit, Ort, Dynamik und Intention. Bewegung entsteht aus der Gegenwärtigkeit des Moments, ist von inneren Impulsen oder äußeren Reizen wie Musik und Umgebung inspiriert. Der Zuschauer erlebt die Entstehung einer lebendigen und authentischen Bewegung im Jetzt, was eine seltene Form von künstlerischer Intimität und Unmittelbarkeit erzeugt.
In der heutigen Tanzpraxis spielt Improvisation eine zentrale Rolle – nicht nur als performatives Mittel, sondern auch in der Ausbildung. Sie fördert Körperbewusstsein, Reaktionsfähigkeit und kreative Eigenverantwortung. In vielen zeitgenössischen Produktionen ist Improvisation ein integraler Bestandteil der Entstehung des choreografischen Materials – oft sogar das Ausgangsmaterial, aus dem später feste Strukturen entwickelt werden. Über das Ausführen einer festgelegten Choreografie hinausgehend entsteht ein innovativer künstlerischer Prozess, der interpretiert und transformiert. In der Improvisation begegnen sich die Tänzer selbst: Im Dialog mit Raum, Musik, Körper und dem unerschöpflichen Potenzial der Bewegung.
Für HAUTNAH hat Emil Wedervang Bruland seiner Ballettcompagnie zu jeder Musik Gedankenimpulse mitgegeben, die sie dann aus dem Augenblick heraus frei entfalten, etwa in getrennten Bereichen zu beginnen, die durch spielerische Momente aufgebrochen werden, skulpturale Szenen zu kreieren, hektisches, scheinbar unkontrolliertes Agieren durch repetitive Bewegungen zu kontrastieren, sich wie ein Tropfen Tinte in Wasser aufzulösen oder aber auch, sich zu einem großen Ganzen zu verbinden.
So entwickeln sich unvorhersehbare Situationen, werden spontan individuelle kreative Bewegungsabläufe geschaffen, entstehen Begegnungen, Verbindungen, Momente der inneren und äußeren Abgrenzung, gilt es sich spielerisch und experimentell auf dynamische Strukturen einzulassen. Die Tänzerinnen und Tänzer entscheiden selbst, worauf sie sich einlassen wollen, wann sie interagieren, sich distanzieren oder zum Beobachter am Rand des Geschehens werden.
Natürlich spielt bei alledem auch Rhythmus eine entscheidende Rolle, instinktiv mögen wir tanzbare Rhythmen und reagieren körperlich darauf. Insofern ist auch die Musikauswahl wichtig: Sie soll inspirieren, kleine Geschichten zu erzählen, gibt Anknüpfungspunkte, mit denen gespielt werden kann, schafft eine Emotionalität, die agieren lässt und fördert Vielfalt durch eine Variation von unterschiedlichen Stilen und Energie-Niveaus.
Susanne von Tobien
Musik
Trüby Trio „Donaueschingen“
(Peter Kruder’s Donaudampfschifffahrtsgesellschaftskapitänskajütenremix)
Robot Koch „Movement III“
Tango „Spellbound“ mixed
Fabian Ziegler / Jon Psathas aus: „RealBadNow“ „Prepare for Defiant Acts of Radical Imagination“
Adam Ben Ezra „Cosmic Nomad“
Kaada „Farewell“
Meute „Sail“
Besetzung
Leitung
Termine
19.00 Uhr
Eintritt frei
17.00 Uhr
Im Rahmen der NordArt 2025
17.00 Uhr
Im Rahmen der NordArt 2025
19.00 Uhr
Im Rahmen der Kulturnacht Flensburg | Eintritt frei