4. KAMMERKONZERT

Spielzeitraum: 09.05.2025 – 18.05.2025
Vorstellungsdauer: ca. 100 Minuten inkl. einer Pause

BITTE BEACHTEN SIE

Das Konzert in Schleswig wird von der Aula der Domschule in den Kleinen Saal im Slesvighus verlegt.

Ravi Shankar (1920–2012)
„L‘aube enchantée“ über den Raga „Todi” für Flöte und Gitarre

Jean-Michel Damase (1928–2003)
Quintett für Flöte, Harfe, Violine, Viola und Violoncello op. 2

Guillaume Connesson (*1970)
„Le rire de Saraï“ für Flöte und Klavier

Dmitri Schostakowitsch (1906–1975)
Streichquartett Nr. 8 c-Moll op. 110

Mit „L’aube enchantée“ („Die verzauberte Morgendämmerung“) entwirft der indische Komponist und Sitar-Meister Ravi Shankar ein klangliches Stimmungsbild von großer Poesie. Der Titel verrät: Es geht um den Moment des Übergangs, um das leise Erwachen der Welt aus der Dunkelheit der Nacht, um die ersten Momente des Tages, in denen einander Licht und Stille begegnen.
Dieser Kontrast prägt auch die musikalische Gestaltung. Dabei zeigt sich in der Verwendung eines traditionellen Ragas, des Morgen-Ragas „Todi“, Shankars tiefe Verankerung im hinduistischen Denken, in dem Tageszeiten bestimmte emotionale Qualitäten zukommen.
Das Werk strahlt eine tiefe Ruhe aus und lädt den Hörer ein, innezuhalten, zu lauschen, in sich hineinzuhorchen. Es schafft Raum für Einkehr, für Kontemplation, für ein bewusstes Erleben des Augenblicks.
Das Stück steht exemplarisch für Shankars Fähigkeit, musikalische Welten zu verbinden. Als Vermittler zwischen indischer Klassik und westlichen Hörgewohnheiten schafft er eine Musik, die zugleich verwurzelt und weltoffen ist, die durch ihre Authentizität und klangliche Schönheit berührt.

Das Quintett für Flöte, Harfe, Violine, Viola und Violoncello des französischen Komponisten Jean-Michel Damase ist ein Werk von großer klanglicher Transparenz, das klassische Eleganz mit impressionistisch geprägter Farbgebung verbindet. In der eher seltenen Besetzung – bekannt vor allem durch Debussys Sonate aus dem Spätwerk – schöpft Damase die Möglichkeiten dieser kammermusikalischen Besetzung voll aus und verleiht ihr seine persönliche, unverwechselbare Handschrift.
Damase, Schüler von Alfred Cortot und Henri Büsser sowie Preisträger des renommierten Prix de Rome, war zeitlebens ein Komponist, der sich bewusst zur tonalen Tradition bekannte – und das zu einer Zeit, in der sich die zeitgenössische Musik zunehmend in seriellen und experimentellen Richtungen radikalisierte. Seine Werke stehen somit in einem Spannungsverhältnis zwischen historischer Kontinuität und individueller Ausdruckskraft. Das hier erklingende Quintett ist ein Paradebeispiel dafür.
Es entfaltet eine Musik von kammermusikalischer Intimität und tänzerischer Leichtigkeit, die in ihrer Feinheit und Noblesse zu bezaubern weiß. Die Harfe – häufig als „farbiger“ Begleiter gedacht – tritt hier als gleichberechtigter Partner auf, oft im Zwiegespräch mit der Flöte, wobei beide Instrumente eine luftige, fast schwebende Textur erzeugen, die vom Streichertrio gestützt und kontrastiert wird.
Stilistisch bewegt sich das Quintett zwischen neoklassischer Klarheit, französischem Esprit und lyrischem Ausdruck, es fesselt durch seine ausgeprägte melodische Erfindungsgabe und farbenreiche Harmonik. Es versprüht eine Eleganz, wie man sie aus der französischen Salonkunst, aber auch aus der Musik Francis Poulencs kennt, mit dem Damase stilistisch wie geistig verwandt ist.

„Le rire de Saraï“ („Das Lachen der Sarai“) des französischen Komponisten Guillaume Connesson entstand 2017 im Rahmen einer größeren Reihe von Kompositionen, die sich mit verschiedenen biblischen, mythischen und archetypischen Frauengestalten auseinandersetzen. In diesem Fall steht Abrahams Frau Saraï – später erhielt sie von Gott den Namen Sara – im Mittelpunkt, von der Moses in seinem Buch Genesis berichtet. Vergeblich haben Sara und Abraham auf einen Sohn gehofft, den Gott ihnen verkündigt hatte. Als Sara immer älter wurde und nicht mehr daran glaubte, selbst Mutter werden zu können, gab sie ihre Magd Hagar ihrem Mann zur Frau, die Abraham seinen Sohn Ismael schenkte. Doch Gott erneuerte sein Versprechen, da waren Abraham und Sara schon 99 und 89 Jahre alt. Als Sara das hörte, konnte sie das Unmögliche nicht glauben und brach in Lachen aus. Aber Gott machte sein Versprechen wahr: Sara wurde schwanger und brachte einen Jungen zur Welt, dem Abraham den Namen Isaak, was so viel wie „Lachen“ heißt, gab. „Sara aber sagte: ‚Gott ließ mich lachen; jeder, der davon hört, wird mit mir lachen.’“ (Gen. 21,6)
Später verlangte Sara von Abraham, Hagar und Ismael zu verstoßen, allein ihr gemeinsamer Sohn Isaak sollte der Erbe sein. Nachdem Gott Abraham sagte, er solle Saras Wunsch folgen, schickte er Hagar mit seinem Sohn Ismael fort, und die beiden irrten durch die Wüste. Als die beiden kein Wasser mehr hatten, legte sie das Kind unter einen Strauch und setzte sich weinend in der Nähe nieder, denn sie wollte ihr Kind nicht sterben sehen. Doch Gott wies ihr den rettenden Weg zu einem Brunnen und verkündete, auch Ismael zum Begründer eines großen Volkes zu machen. (Gen. 21,9–21)
Die beiden Sätze der Partitur sind von ganz unterschiedlichem Charakter. Der erste Satz stellt dar, wie Sara ihre Dienerin Hagar aus Eifersucht aus dem Haus werfen lässt. Hagars verzweifeltes Umherirren durch die Wüste wird durch ein melancholisches, zunehmend leidenschaftliches Thema ausgedrückt. Nach Hagars verzweifeltem Gebet schließt göttlicher Trost den ersten Teil ab. Der zweite Satz dagegen ist ein Freudentanz, der die Geburt Isaaks, des neuen Symbols des Bundes zwischen Gott und Israel, feiert und in einem ausgelassenen Wirbel endet.
Connesson nähert sich dieser Erzählung nicht mit historisierender Distanz, sondern mit einer poetischen und zugleich energetisch aufgeladenen Tonsprache. Saraïs Lachen wird nicht bloß vertont, sondern als musikalischer Impuls begriffen – als Moment der Überraschung, der Ambivalenz, der Grenzerfahrung zwischen Unmöglichkeit und Verheißung. In der Musik spiegelt sich dies in einem Spannungsfeld zwischen Bewegung und Stillstand, zwischen Leichtigkeit und Nachdruck, zwischen tänzerischer Rhythmik und scharfen gestischen Akzenten wider.
Charakteristisch für Connessons Stil ist die Verbindung zeitgenössischer Kompositionstechniken mit Elementen aus der Minimal Music, Filmmusik, dem Jazz sowie der französischen Moderne des 20. Jahrhunderts. Auch in „Le rire de Saraï“ zeigt sich diese Vielschichtigkeit: Die Partitur ist reich an klanglichen Farbwechseln, rhythmischer Vitalität und präziser Instrumentation.

Das achte Streichquartett von Dmitri Schostakowitsch, komponiert im Juli 1960 innerhalb weniger Tage in Dresden, gehört zu den eindringlichsten Werken des 20. Jahrhunderts. Schostakowitsch verbrachte während der Dreharbeiten zu einem Film, der die Zerstörung Dresdens im Zweiten Weltkrieg dokumentieren sollte, einige Tage in Gohrisch in der DDR. Die Gespräche, die dafür mit Augenzeugen geführt wurden, berührten ihn so sehr, dass das düster-komplexe Streichquartett in nur drei Tagen zum Gedenken an die Opfer des Krieges und des Faschismus entstand.
Es ist ein stark autobiografisch gefärbtes Werk, das sowohl als persönliche Stellungnahme des Komponisten wie auch als Kommentar zur politischen und historischen Situation der Zeit gelesen werden kann. Das Streichquartett sollte zu einem Schlüsselwerk des Antifaschisten Schostakowitsch werden, der einen Großteil seines Schaffens der Trauer über die Opfer von Krieg und politischer Willkür widmete – zugleich sollte es aber auch sein eigenes Requiem sein.
So schrieb er seinem engen Freund, dem Schriftsteller, Literatur- und Theaterkritiker Isaak Glikman, er habe ein „niemandem nützendes und ideologisch verwerfliches Quartett geschrieben. Ich dachte darüber nach, dass, sollte ich irgendwann einmal sterben, kaum jemand ein Werk schreiben wird, das meinem Andenken gewidmet ist. Deshalb habe ich beschlossen, selbst etwas Derartiges zu schreiben. Man könnte auf seinen Einband auch schreiben: Gewidmet dem Andenken des Komponisten dieses Quartetts.“
Dies erklärt auch die zahlreichen Zitate aus früheren Werken, die auf verschiedene Weise sein gespanntes Verhältnis zum Sowjetregime zum Ausdruck bringen, sowie ein aus seinen initialen gebildetes Viertonmotiv – D-(E)S-C-H–, das allen fünf ineinander übergehenden Sätzen gleich einem Motto zugrunde liegt. Chromatik, Klagegesänge, Dissonanzen und perkussive Akkordschläge rufen beklemmende Bilder von Massenhinrichtungen unter Hitler und Stalin wach, die Schostakowitsch nur allzu vertraut waren und mit denen er eigene Erinnerungen an Verfolgung, politische Willkür und Krieg musikalisch reflektiert.
Dafür greift er auf verschiedene Motive seiner Werke aber auch auf die anderer Komponisten, etwa auf Pjotr Iljitsch Tschaikowskis gleichermaßen autobiografische 6. Sinfonie, zurück. Unter seinen eigenen Kompositionen wählte er insbesondere die aus, in denen sein gespaltenes Verhältnis zum Sowjetregime zum Ausdruck kommt, wie seine erste und achte Sinfonie, sein erstes Cellokonzert, die Oper LADY MACBETH VON MZENSK oder auch sein zweites Klaviertrio, das auf jüdischen Melodien basiert. Hinzu tritt als Zitat die Melodie des revolutionären Klageliedes „Gequält von schwerer Gefangenschaft“.
Die Atmosphäre des Werks ist von Dunkelheit, Bedrohung und innerer Zerrissenheit geprägt. Schostakowitsch verbindet expressive Linienführung mit scharfen Kontrasten, strenger motivischer Arbeit und einer oft kargen, konzentrierten Klangsprache. Es ist die Bilanz eines desillusionierten Künstlers im Schatten einer Diktatur, denn erst wenige Wochen vor der Entstehung des Quartetts wurde Schostakowitsch unter massivem Druck und gegen jede Überzeugung gezwungen, in die kommunistische Partei einzutreten.

Besetzung

MIT

Yugyung KimVioloncello
Guanlin LiVioline
Volker Linde*, Gitarre
Jakub Wyciślik* Violoncello

Termine

4. KAMMERKONZERT - Spielstätten

Außenansicht des Slesvighus in Schleswig

Slesvighus (Schleswig)

Das Große Foyer im Stadttheater Rendsburg, an den Seiten des imposanten Raumes stehen Tische und Stühle, der Raum ist mit dunklem Holz verkleidet, an der rechten Wand sind große, bunte Fenster zu sehen

Großes Foyer (Rendsburg)

Außenansicht des Museumsbergs in Flensburg

Museumsberg (Flensburg)