Alceste hat sich kompromissloser Aufrichtigkeit verschrieben. Jede Heuchelei, sei sie auch Diplomatie, lehnt er ab. In einer Gesellschaft, deren Umgang von Anpassung, Schmeichelei und Verstellung geprägt ist, bringt er sich damit in eine isolierte Position. Entgegen dem Rat seines treuen Freundes Philinte verreißt er gnadenlos ein Gedicht des Höflings Oronte und zieht sich damit dessen Feindschaft und eine Gerichtsverhandlung zu.
Célimène, in die Alceste unsterblich verliebt ist, stellt den strahlenden Mittelpunkt eben jener Gemeinschaft dar, deren Unehrlichkeit ihm so verhasst ist. Zwar erwidert Célimène Alcestes Neigung, allerdings bleibt er nicht alleiniger Empfänger ihrer Gunst. Als Briefe auftauchen, in denen die Angebetete ihre diversen Verehrer verspottet, steht Alceste als Einziger zu ihr und bietet ihr ein Leben jenseits des Höfischen an.
Molières Komödie aus dem Jahre 1666 stellt zeitlos dringliche Fragen: Welchen Preis hat die Ehrlichkeit? Was geschieht mit denen, die sagen, was sie denken, und was geschieht mit dem, was sie sagen? Das Schauspiel um einen radikal unhöflichen Idealisten zeitigt manch unbequeme Erkenntnis, aber ganz vor allem bitterböse Freude über ausgesprochene Wahrheiten und deren Folgen.