Seit der Spielzeit 2020|2021 stellen wir im „Theaterblatt”, das einmal im Monat in der Schleswig-Holsteinischen Landeszeitung erscheint, drei Fragen an Kolleg*innen, die hinter den Kulissen wirken. Zwischen Dezember 2020 und Februar 2021 gab es allerdings eine coronabedingte Pause … Hier sammeln wir all die Antworten und ergänzen sie monatlich – für Sie zum Nachlesen.
August 2023
… Dr. Ute Lemm, die seit 2020 Generalintendantin des Schleswig-Holsteinischen Landestheaters ist – und deren Vertrag bereits bis 2030 verlängert wurde.
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Sie haben im Kinderchor gesungen – würden Sie gerne (wieder) einmal in einer Musiktheater-Inszenierung mitwirken?
Von der dritten bis zur achten Klasse habe ich im Kinderchor des Schweriner Theaters mitgesungen und durfte sogar eine kleine solistische Rolle in Paul Dessaus Oper DIE VERURTEILUNG DES LUKULLUS übernehmen. Ich finde es immer noch sehr spannend, eine Vorstellung von der Seite aus zu erleben – es ist eine völlig andere Welt als die vom Zuschauerraum aus, eine Mischung aus höchster Konzentration und Dekorationsrückwänden. Aber selbst bei einer Musiktheaterproduktion mitzuwirken, ist derzeit nicht auf meiner Wunschliste. Meine Rolle ist die der Zuschauerin!
Auf welches Projekt außerhalb des regulären Spielplans freuen Sie sich in der kommenden Spielzeit besonders?
Auf die Dithmarscher Theaternacht im nächsten Frühsommer! Die habe ich nämlich in diesem Jahr leider verpasst.
Sie sind häufig im gesamten Spielgebiet unterwegs – zu Vorstellungen, zum Austausch mit Gesellschafter*innen oder anderen (kulturellen) Akteuren. Singen Sie im Auto mit?
Natürlich! Wir sollten jede Gelegenheit zum Singen nutzen – und ich bin begeistert, dass sich meine Enkeltochter gern vorsingen lässt und schon selbst kleine Melodien kreiert …
Mai 2023
… Malte Erhart, der sich als Leiter des Ticketings um alle Fragen rund um Theaterkassen und Vorverkaufsstellen, Kartenkauf und Abonnements kümmert – ein ganz besonderes Thema, da die Abo-Zeichnung für die neue Spielzeit am 15. Mai beginnt.
Papierticket oder digital aufs Handy – was ist Ihnen lieber?
Ganz klar das digitale Ticket aufs Handy! Es ist ressourcenschonender und ich habe es immer dabei. Ein vergessenes Papierticket bemerke ich nicht so schnell wie mein fehlendes Handy. Deshalb bin ich froh, dass es mir und meinen Mitarbeiter*innen gelungen ist, unsere Theaterkassen jetzt für die Digitalisierung fit zu machen. Auch das Landestheater ist im 21. Jahrhundert angekommen!
Vorstellungen welcher Sparte besuchen Sie am Landestheater am liebsten?
An einem Mehrspartenhaus zu arbeiten, finde ich wunderbar, da ich in den Sparten Musiktheater, Schauspiel, Ballett, Konzert und Puppentheater immer wieder persönliche Highlights finde.
Welche Landestheater-Spielstätte mögen Sie am liebsten?
Ich bin noch am Erkunden aller Landestheater-Spielstätten. Aber ich finde alle Spielstätten haben ihren speziellen Charme. Was mich besonders fasziniert, ist die große Vielfalt an Land und Leuten und stetig neuen Eindrücken!
April 2023
… Merle Leuschner, die seit Januar als Ausstattungsassistentin am Landestheater engagiert ist. Im Mai stellt sie bei der Premiere von DAS KUNSTSEIDENE MÄDCHEN ihr erstes eigenes Bühnenbild vor.
In welchem Landestheater-Gebäude oder Raum verbringen Sie die meiste Zeit?
In dem Ausstattungsatelier in Rendsburg. Hier wird gezeichnet und gestaltet (digital und analog), es werden Maßstab-Modelle gebaut oder „einfach nur“ Mails beantwortet.
Haben Sie eine Lieblingssparte?
Definitiv Ballett. In erster Linie wegen meiner eigenen Erfahrung mit dem Tanz, aber auch weil er ohnehin eine Dynamik in das Bühnenbild bringt. Ballett war übrigens mein erstes Hobby, das ich mit 5 Jahren begonnen habe, und bei eigenen Auftritten war ich vor allem fasziniert vom Kostüm- und Bühnenbild.
Welchen Satz sagen Sie am häufigsten?
So etwas wie: „Das könnte gut passen.“
März 2023
… Hendrik Müller. Der Allrounder führte bereits zweimal am Landestheater Regie: im Schauspiel ALLE MEINE SÖHNE und im Musiktheater DIE ZAUBERFLÖTE. In der aktuellen Spielzeit steht seine Inszenierung von Tschechows Komödie DER KIRSCHGARTEN auf dem Spielplan.
Welche Art von Inszenierung ist herausfordernder: Musiktheater oder Schauspiel?
Das Maß der Herausforderungen ist gleich: Immens nämlich, wenn wir unser Spielen ernst nehmen. Aber in jedem Genre grundverschieden. Im Musiktheater arbeiten wir von außen nach innen, müssen Antworten, Motivationen und Interpretationen für die oft sehr genauen Vorgaben der Partitur finden. Im Schauspiel verläuft die Reise umgekehrt: Mit dem Ensemble beginnen wir im Kleinen, im Innersten einer Figur oder einer Situation (wohin man sich auch erst mal aus all unseren verschiedenen Lebenserfahrungen vorarbeiten muss), und dann bauen wir immer mehr dazu.
Lesen Sie lieber ein Libretto oder einen Schauspiel-Text?
Beides sind seltsame Lektüren: Irrsinnig spannend und irgendwie vollkommen sinnlos zugleich. Beide Gattungen sind ja gar nicht zum Lesen gedacht. Das geschriebene Wort ist hier wie da nur Vehikel für etwas ganz anderes, das maßgeblich von der Flüchtigkeit des Augenblicks lebt, eben der Aufführung. Beidem fehlt beim Lesen zunächst der Klang. Bei der Lektüre eines Librettos beginnt die Musik bereits im Kopf zu klingen, wenn man das Stück denn kennt, und manchmal entdeckt man so Feinheiten der Musik, die einem beim direkten Hören gar nicht auffallen. Beim Schauspieltext kreist die Fantasie freier, weil der Gesamteindruck ja erst über Wochen entstehen muss.
Sind Sie organisiert?
Im Grunde ja. Ich bin Sohn eines Beamten, der ein großes Faible für Tabellen hatte! Ich buche meine Theaterwohungen monatelang im Voraus, gebe meine Steuerunterlagen halbwegs pünktlich ab und weiß, wo meine Geburtsurkunde liegt. Ich erscheine vorbereitet zu Proben, schreibe wöchentliche Probenplanungen und kenne meine Stücke (fast) auswendig am ersten Probentag. Aber das alles ehrlich gesagt nur, um auch mal bei Nacht und Nebel alles durcheinanderschmeißen und am nächsten Morgen sagen zu können: „Freunde, wir machen alles ganz anders!“
Januar 2023
… Finja Jens. Die Schauspiel-Dramaturgin und Regisseurin ist seit der Spielzeit 2020/2021 am Schleswig-Holsteinischen Landestheater engagiert.
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Können Sie in einem Satz die Aufgaben einer Dramaturgin zusammenfassen – und wie viele Nebensätze benötigen Sie dafür?
In einem Satz wird es tatsächlich schwierig. Dafür ist das Aufgabenfeld einfach zu vielfältig.
Ich berate als Produktionsdramaturgin das Regieteam in allen inhaltlichen Fragen, schreibe Texte für die verschiedenen Veröffentlichungen des Theaters, halte Einführungen und Nachgespräche, stelle Programmhefte zusammen, konzipiere, organisiere und moderiere Sonderveranstaltung und, und, und …
Welcher Aufgabenbereich einer Dramaturgin bereitet Ihnen am meisten Freude?
Am meisten Freude macht mir, wie abwechslungsreich meine Arbeit ist, da ich mich mit jeder neuen Produktion in ein neues Themenfeld einarbeiten darf. Aktuell betreue ich das Stück TERROR und recherchiere zu juristischen, moralphilosophischen und militärischen Fragen – alles hochspannende Themenkomplexe, die mir wohl in kaum einem anderen Beruf in dieser Bandbreite begegnen würden.
Sehen Sie sich die zehnte Probe eines Stücks immer noch gerne an?
Auf jeden Fall! Gerade das ist ja spannend für mich: Zu sehen, wie die Inszenierung im Laufe der Zeit – von der ersten Leseprobe bis zur Premiere (und darüber hinaus) – immer weiter wächst und sich verändert. Das Tolle an der Probenarbeit ist, dass es so ein dynamischer Prozess ist, in dem ständig Ideen neu entwickelt und auch wieder verworfen werden können.
Dezember 2022
… Ingo Martin Stadtmüller, der seit 2018 zunächst als 1. Kapellmeister und seit Juni 2022 als Generalmusikdirektor bis 2024 am Schleswig-Holsteinischen Landestheater und Sinfonieorchester engagiert ist.
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Wann und wie haben Sie festgestellt, dass Sie gerne Orchester dirigieren möchten?
Ich kann mich tatsächlich gar nicht mehr genau erinnern. Ich weiß, dass ich das schon als Kind toll fand und es ein Traum von mir war. Ich habe später dann mit Erstaunen festgestellt, dass nicht jeder diesen Traum hat. Das erste Mal so richtig vor einem Orchester gestanden habe ich dann, als ich mit meinem Kammerchor Händels ,,Messias” aufgeführt habe. Da war es dann endgültig um mich geschehen!
Welche Opernvorstellung haben Sie zuletzt privat als Zuschauer besucht?
DAS SCHLAUE FÜCHSLEIN von Leoš Janáček im Theater an der Wien im Oktober.
Gibt es einen schönsten Moment im Probenprozess?
Es gibt so viele schöne Momente. Ein sehr besonderer ist schon, wenn das erste Mal die Sänger*innen mit dem Orchester zusammenkommen. Dieser Moment hat sehr viel Magie. Ich mag aber auch sehr, wenn ich noch lange vor den ersten Proben den Regisseur einer Produktion das erste Mal treffe. Definitiv nicht der schönste Moment ist kurz bevor man zur Premiere in den Orchestergraben geht. Da ist die Anspannung schon sehr groß.
November 2022
… Philippe Besson. Der Regisseur von FRACKING FOR FUTURE! entstammt einer großen Theaterfamilie – sein Vater Benno Besson prägte als Schauspieler, Regisseur und Intendant über Jahrzehnte die Theaterwelt in West und Ost, seine Geschwister Katharina Thalbach und Pierre Besson sind einem breiten Film-, Fernseh- und Theaterpublikum bestens bekannt. Philippe Besson ist als freier Regisseur an europäischen Theatern beschäftigt und inszeniert zum ersten Mal am Landestheater.
Wenn man in eine solche Familie hineingeboren wird, muss man dann zwangsläufig auch einen Theaterberuf ergreifen? Oder neigt man eher zum Gegenteil?
Ich habe schon als Kind meinen Vater ins Theater begleitet und kleine Rollen gespielt und war natürlich angefixt, aber ich habe mich zunächst nicht getraut zuzugeben, dass ich Schauspieler werden will. Also habe ich gesagt, ich mache etwas ganz anderes – allerdings auch nicht so einen Durchschnittsberuf. Ich habe eine Ausbildung zum Matrosen der Binnenschifffahrt absolviert, das war so romantisch verklärt. Mein Vater fand das spannend. Danach dauerte es noch ein paar Jahre, bis ich mich „geoutet“ habe und ans Theater gegangen bin. Die Ausbildung und die Jobs, in denen ich zwischendurch gearbeitet habe, haben mir nicht geschadet!
Arbeiten Sie lieber als Schauspieler oder Regisseur?
Ich bin gar kein Schauspieler, ich bin da als Familienmitglied oder als Assistent immer wieder so reingerutscht. Den Regieberuf habe ich von der Pike auf gelernt: Ich habe meinem Vater viel zugesehen, habe hospitiert, war Regieassistent und hatte dann meine erste Inszenierung, ein Kinderstück am Landestheater Salzburg, vor 30 Jahren. Aber ich spiele gerne, und als Regisseur darf ich alle Rollen mal übernehmen, wenn auch im Hintergrund und ohne Publikum …
Sie waren Oberspielleiter am Ulmer Theater und am Theater Junge Generation in Dresden, haben dazwischen lange die Kinder- und Jugendtheatersparte am Potsdamer Hans Otto Theater geleitet und arbeiten seit mehr als zehn Jahren frei – was bevorzugen Sie: das Festengagement oder das freie Arbeiten?
Die Zeit als Spartenleiter am Hans Otto Theater war toll, aber in Dresden habe ich gemerkt, dass ein Festengagement nichts mehr für mich ist. Ich bin immer besser, wenn ich den Blick von außen mitbringe. Frei zu arbeiten ist ja ein Luxusleben: Ich finde neue Leute vor, ein tolles Stück, habe sechs Wochen Spaß und gehe dann wieder nach Hause.
Das ausführliche Gespräch mit Philippe Besson lesen Sie hier.
Oktober 2022
… Kay Viering. Der Diplom-Ingenieur und ausgewiesene Theaterfachmann ist seit August Technischer Direktor am Schleswig-Holsteinischen Landestheater.
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Worauf freuen Sie sich bei der neuen Aufgabe am Landestheater besonders?
Auf das Kennenlernen aller Kolleginnen und Kollegen in der gemeinsamen Arbeit, darauf, an der guten und erfolgreichen Zukunft des Landestheaters mitzuwirken und wieder im hohen Norden zu leben.
Nordsee oder Ostsee?
Nordsee: Geprägt durch meine Kindheit. Jedes Jahr ging es in den Ferien sommers wie winters von Hamburg nach Pellworm. Anfangs noch mit dem Zug: Besonderes Highlight war, bei der Auf- bzw. Abfahrt der Kanalbrücke aus dem geöffneten Zugfenster in der Schleife die Dampflok zu beobachten und das „Wasserfassen“ der Dampflok im Husumer Bahnhof.
Ostsee: Spätere Liebe durch mehrere Segeltörns, Rund Bornholm, Kattegat und Skagerrak, Limfjord Rund Skagen, die schwedischen Schären um Marstrand, traumhaft schön.
Da ich in Rendsburg zwischen den Meeren wohne, gibt es jetzt immer beide Möglichkeiten.
Sind Sie Heimwerker?
Ja unbedingt, irgendwas ist ja immer. Als technischer Theatermitarbeiter hat man natürlich das Glück, sich von den Profis aller Gewerke im Laufe der Jahre das ein oder andere zusätzlich abgucken zu können.
August 2022
… Avishay Shalom, ab der Spielzeit 2022|2023 neuer Chordirektor am Schleswig-Holsteinischen Landestheater, der sich mit VORHANG AUF! dem Publikum vorstellt.
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Worauf freuen Sie sich in der neuen Spielzeit am neuen Wirkungsort am meisten?
Natürlich auf den Chor! Chorleitung und Chorgesang haben mich durch mein Leben immer begleitet und begeistert. Als Chorleiter und auch als Chorsänger war ich immer fasziniert von der Energie, die ein Chor allein mit puren Stimmen ausstrahlen kann. Zur Arbeit mit dem Chor gehört auch die zwischenmenschliche Interaktion mit den Chormitgliedern, darauf freue ich mich riesig!
Was ist der wichtigste Unterschied, wenn man ein Orchester oder einen Chor dirigiert?
In erster Linie ist das Instrument der Unterschied. Im Chor sind es menschliche Stimmen, die eine andere Stimmführung benötigen als die verschiedenen Instrumente im Orchester. Jede Instrumentengruppe braucht ein unterschiedliches Dirigat. Eine Geste für Streicher ist anders als für die Holzbläser oder für das Schlagzeug. Bei einem Chor ist das Instrument das gleiche für alle Mitglieder, es kommt darauf an, sie gemeinsam zu führen und einen einheitlichen Klang zu kreieren. Das braucht viel Unterstützung und verlangt eine emotionale Verbindung von dem Chorleiter.
Welches große Chorwerk wollten Sie schon immer mal leiten?
Gerne einmal das „Verdi-Requiem“.
Juni 2022
… Masae Nomura, die seit der Spielzeit 2020/2021 Leitende Theaterpädagogin am Schleswig-Holsteinischen Landestheater ist.
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Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Theaterpädagogin zu werden?
Schon als Kind wollte ich Lehrerin werden und habe mich gerne um die Jüngeren gekümmert. Nach dem Lehramtsstudium für Musik in Japan wollte ich allerdings nicht sofort in die Schule zurück. Ich habe gemerkt, dass ich mehr Lebenserfahrung brauche und die Welt erkunden muss, um eben eine gute Lehrerin zu werden. So entschied ich mich, mein Studium als Musiklehrerin in Deutschland fortzusetzen. Während des Studiums habe ich die Theaterwelt entdeckt und angefangen, als Musikpädagogin zu arbeiten. Den Bereich Schauspiel habe ich während der ersten Jahre dazu gelernt.
Arbeiten Sie in Workshops lieber mit Kindern, Jugendlichen oder Erwachsenen?
Da habe ich keine Vorliebe. Ich arbeite mit jedem gerne. Deswegen wird meine Arbeit nie langweilig. Einmal kam ich von der Probe vom Theaterkinderclub zurück, in dem ich mit Kindern über Rotkäppchen, Dornröschen und Rapunzel gesprochen habe, kaum im Büro angekommen, wollte sich meine Kollegin mit mir über psychischen Druck bei Jugendlichen für die Materialmappe zu DIE LEIDEN DES JUNGEN WERTHER unterhalten. So abwechslungsreich kann der Arbeitsalltag aussehen.
Als Japanerin in Norddeutschland: Essen Sie gerne Fisch?
Ich liebe das Meer und esse gerne Fisch, ich liebe aber auch die Berge. In Japan hat man meistens beides in der Nähe, egal wo man lebt. Vor zwei Jahren musste ich mich entscheiden, Meer oder Berge – und ich habe mich halt für Fisch entschieden. Als Fischliebhaberin kann ich mich hier über nichts beschweren.
April 2022
… Sonja Langmack, die seit 2009 am Schleswig-Holsteinischen Landestheater als Puppenspielerin, Regisseurin und Ausstatterin ihrer Puppentheaterstücke engagiert ist.
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Sind Kinder ein kritischeres Publikum als Erwachsene?
Ich empfinde Erwachsene als kritischer, weil sie mehr von außen auf das Stück schauen, also zuschauen und mit ihren Erfahrungen vergleichen. Sie beurteilen das Stück mit dem, was sie kennen, und wollen gut unterhalten sein. Kinder hingegen vergleichen nicht so sehr, sie wollen etwas miterleben. Kinder sind großzügig, sie nehmen Unperfektionen nicht wahr. Sie wollen mitgenommen werden. Sie sind insofern kritisch, dass sie nicht leidenswillig sind. Gefällt ihnen nicht, was sie sehen, machen sie ihre eigene Show im Zuschauerraum. Das heißt, du musst sie immer mit ins Boot holen.
Gibt es einen Unterschied, wenn man Puppen für Kinder oder für Erwachsene baut?
Da Kinder absolut aus ihrer Freude und aus ihrem Bedürfnis heraus handeln, können sie von Tieren richtig gut getoppt werden. Sie selbst fangen gerade an, die Regeln unserer Gesellschaft zu lernen, geben das natürliche Durchsetzungsvermögen für ihre Ziele zugunsten der Gruppe ein Stück weit ab. Tiere können das durchbrechen, denn die brauchen sich nicht an Regeln zu halten. Sie können die verrücktesten Sachen tun und das regt auf, ist aber akzeptabel. Außerdem haben Kinder ein Herz für Tiere. Erwachsenen muss man manchmal den Einstieg ins Stück erleichtern, indem die Puppen den Mund öffnen können.
Was war Ihr lustigstes Erlebnis bei einer Vorstellung?
Ich könnte ein Buch über lustige Erlebnisse bei Vorstellungen schreiben. Wenn einer von Ihnen ein lustiges Leben haben möchte, werden Sie Puppenspieler. So manches Mal habe ich Tränen in den Augen, weil ich ja nicht loslachen kann.
Spontan fällt mir eine Vorstellung von SCHAF AHOI! ein. Ich wollte den Kindern demonstrieren, wie Ebbe und Flunt funktionieren. Zu dem Zweck wollte ich das Meer spielen, wickelte mich in ein blaues Handtuch und sagte: „Ich bin jetzt mal …” „… eine Wurst”, kam aus dem Publikum, bevor ich „Meer” sagen konnte. Das war eine so unfassbar lustige Situation für alle.
März 2022
… Kathrin Hertel, die seit April 2013 zunächst als Mitarbeiterin im Orchesterbüro und seit Mai 2021 als Orchesterdirektorin die Geschicke des Schleswig-Holsteinischen Sinfonieorchesters managt.
Können Sie in einem Satz erklären, was die wichtigste Aufgabe einer Orchesterdirektorin ist?
Die Orchesterdirektion ist die Schnittstelle, die Vorgaben der Theaterleitung und der musikalischen Leitung unter Berücksichtigung der gesetzlichen und tarifrechtlichen Bestimmungen für das Kollektiv Orchester und auch jedes Orchestermitglied umsetzt; meine Arbeit hat viel mit Dienst- und Ablaufplänen, Instrumenten, Verträgen und persönlichen Gesprächen zu tun.
Gehen Sie lieber in ein Konzert oder in eine Musiktheatervorstellung?
Im Theater stehen Konzert und Musiktheater eng beisammen, aber im Konzert spielt das Orchester und jedes Orchestermitglied eine Hauptrolle. Vor dem Hintergrund der täglichen Arbeit und der Zusammenarbeit mit Agenturen und Konzertsolist*innen ist meine Vorliebe hier am Landestheater klar gewichtet. Im privaten Bereich habe ich oft andere Bezüge.
In welchem Werk würden Sie als studierte Bratschistin gerne einmal mitspielen?
Ich müsste viel üben – dann würde ich gerne wieder in den Orchstergraben steigen.
Ich habe als Orchestermusikerin einige der großen Opern von Richard Wagner und Giuseppe Verdi spielen dürfen, aber auch Bedřich Smetanas DIE VERKAUFTE BRAUT und Engelbert Humperdincks HÄNSEL UND GRETEL halten wunderbare Bratschenstimmen bereit.
Februar 2022
… die Ditmarsia, in der das Schleswig-Holsteinische Landestheater ab Februar seine neue Meldorfer Heimat findet.
Text
Was halten Sie von Ihrem Neuzugang?
Es ist schon bedauerlich, dass meine Nachbarin, die Erheiterung, nicht länger als Theaterspielort zur Verfügung steht. Zum Glück bietet mein Theatersaal, der im Übrigen ein Kulturdenkmal ist, neben einer soliden technischen Ausstattung eine tolle Atmosphäre. So ist des einen Leid des anderen Freud’ – oder so ähnlich … Wie Sie vielleicht wissen, beherberge ich von meinem Anfang an „die meldorfer theatergruppe”, und da ist es doch schön, dass jetzt das Landestheater mit seinem großen Angebot dazu kommt und so Theater für Meldorf unter meinem Dach konzentriert wird.
Sie feiern in diesem Jahr Ihren 30. Geburtstag als Kulturzentrum – worauf freuen Sie sich besonders?
Mit dem Einzug des Landestheaters kommt jetzt wieder Leben in meine Bude! Eigentlich herrscht hier immer Betrieb – von Lesungen, Amateur- und Schlutheater über ganz unterschiedliche Info-Veranstaltungen bis hin zu Vorstellungen von Kleinkünstlern, denen ich tolle Konditionen bieten kann. In den letzten zwei Jahren ist es hier durch Corona still geworden. Wissen Sie, es ist ja schön, dass hier Proben und ein, zwei Lesungen stattfinden konnten, aber es ist doch viel schöner, dass ich ab Februar wieder regelmäßig Publikum willkommen heißen kann!
Was können Sie kaum erwarten?
Ich finde es toll, dass mit DER KREDIT, DER KONTRABASS und DIE LEIDEN DES JUNGEN WERTHER drei sehr unterschidliche Schauspiele im Abo hier gespielt werden. Aber ganz besonders gespannt sehe ich dem Puppentheater für Erwachsene entgegen, also der Vorstellung der HERINGSTAGE Ende Mai!
Januar 2022
… Stephan Anton Testi, der seit 2017 Ausstattungsleiter am Schleswig-Holsteinischen Landestheater ist. Er zeichnete in den letzten Jahren für zahlreiche Bühnen- und Kostümbilder verantwortlich.
Was liegt zurzeit ganz oben auf Ihrem Schreibtisch?
Hm, kein Staub … und vor allem bereits die nächste Spielzeit 22/23. Welche personellen Wechsel stehen an, und natürlich die neuen kommenden Produktionen. Welche Regieteams sind angedacht, sind neue mit dabei, und welche Spielorte werden wir bedienen dürfen.
Dann natürlich auch die eigenen künstlerischen Arbeiten, mit denen ich mich auseinandersetzen darf, da ja noch vor der Sommerpause einige Arbeiten vorgestellt werden müssen.
Was ist der größte Unterschied zwischen der Arbeit als freier Bühnen- und Kostümbildner und festengagierter Ausstattungsleiter?
Als freischaffender Bühnen- & Kostümbildner weiß man ja nie genau, wo man landet. Große Häuser, kleinere Spielorte oder Open Air-Theater etc., vieles ist möglich, kann sehr spannend und abwechslungsreich sein.
Die Kompromissbereitschaft, Entwürfe wirklich auch umgesetzt zu bekommen, ist – glaube ich – kleiner, da ja keine oder wengier persönliche Kontakte den “Kampf um die Kunst” beeinträchtigen.
Was gefällt Ihnen als gebürtigem Schweizer besonders am “Hohen Norden” Deutschlands? Und was vermissen Sie?
Die Weitsicht, die Meere und der tolle Humor hier im Norden sind super!
Ab und an wäre eine Bergwanderung zu einem türkisfarbenen Bergsee sehr schön, aber dennoch: Ich habe nichts zu mosern!
Dezember 2021
… Oxana Sevostianova, Chorsängerin und Leiterin des Kinderchors.
Ich bin ein Blindtext.
Worauf freuen Sie sich in der Vorweihnachtszeit am meisten?
Ich liebe diese Zeit, genau wie viele andere Menschen auch … Dieses angenehme Treiben draußen, der Duft von gebrannten Mandeln, geschmückte Straßen. Das Herz schlägt mit der Vorahnung von etwas Gutem und Herrlichem. Diesmal freue ich mich auch unheimlich auf unsere vier Weihnachtskonzerte im Dezember. Der ganze Chor endlich zusammen! Das haben wir so sehr vermisst!
Was ist das Besondere an der Arbeit mit einem Kinderchor?
Da kann man wirklich unendlich viel erzählen! Der Musikeinstieg eines Kindes beginnt immer mit dem Singen. Wenn 20 neugierige und erwartungsvolle Augenpaare auf dich blicken, ist der Wunsch, die Kinder auf interessante und unterhaltsame Weise in die Welt der Musik zu führen, sehr groß. Bei uns ist das Besondere, dass der Kinderchor an Theateraufführungen teilnimmt. Das bedeutet, auf der Bühne zu singen und zu spielen. Ich versuche, bereits beim Einstudieren des musikalischen Materials für eine Oper, Operette oder ein Musical Kindern beizubringen, in einem bestimmten Charakter zu singen, der einer bestimmten Handlung entspricht, und ihnen einige Anweisungen zu geben, wie man sich auf der Bühne verhält.
Welches ist Ihr liebstes Chorwerk?
Ich liebe unendlich viele! Und ganz ehrlich – es fällt mir schwer, einen Favoriten zu finden. Ich kann drei nennen: Die h-Moll-Messe von Bach, „Figure humaine“ von Poulenc und die „Vespers“ von Rachmaninow.
Oktober 2021
… Jana Urhammer, die seit 2013 Verwaltungsdirektorin am Schleswig-Holsteinischen Landestheater ist.
Welches ist Ihr Lieblingsort im Landestheater?
Ganz weit hinten im Zuschauerraum, wo mich keiner findet und es kein Telefon gibt …
Und ich mag auch die TraumInsel sehr gerne – das kleine Haus in Schleswig ist einer der schönsten Orte, die wir hier am Landestheater haben.
Wären Sie gerne Schauspielerin, Sängerin oder Tänzerin geworden?
Nein, ganz und gar nicht! Ich agiere wesentlich lieber in der zweiten Reihe und stehe nicht gerne im Rampenlicht. Mein Talent liegt mehr darin, alles im Hintergrund so zu organisieren, dass dann die anderen gut dastehen.
Welchen Anteil an Ihrer Arbeitszeit nehmen jetzt noch die Planungen rund um das Thema Corona ein?
Das Thema ist leider nach wie vor bestimmend. Selbst wenn ich mich nicht mit Landesverordnungen und deren Umsetzung beschäftige, spielt es in alle meine Arbeitsbereiche mit hinein.
September 2021
… Kimbo Ishii, der seit der Spielzeit 2019/2020 Generalmusikdirektor des Schleswig-Holsteinischen Landestheaters und Sinfonieorchesters ist.
Worauf freuen Sie sich in der neuen Spielzeit am meisten?
Es ist sehr schwer, sich da zu entscheiden. Ich freue mich auf jeden Fall darauf, zwei Weltklasse-Cellisten, Alban Gerhardt und Antonio Meneses, als Gäste zu haben. Und ich freue mich so sehr auf das erste gemeinsame Konzert von unserem Chor und dem Sønderjyllands Symfoniorkester. Und es gibt wunderbare Werke von Saint-Saëns zu feiern … Wie gesagt, die Entscheidung fällt schwer, und eigentlich sollte eine Konzertsaison immer so sein.
Welches Konzert haben Sie zuletzt als Zuhörer erlebt?
Ich habe kürzlich in Japan ein spannendes Konzert mit Musik von John Williams gehört. Spannend nicht nur, weil ich schon lange nicht mehr ein so groß orchestriertes Werk live gehört habe, sondern weil es wirklich so gut gemacht war, dass ich jeden Moment genießen konnte. Gut gespielt, gut gesprochen, gut präsentiert, es gab einige humorvolle Aktionen auf der Bühne und zwischen den Musikern gab es eine gute Kommunikation. Das kam alles sehr gut beim Publikum an. Ich besuche wirklich gerne Konzerte, wie wir sie hier selbst normalerweise
nicht spielen – aber es wäre schön, so etwas in unserer Reihe bald auch einmal zu machen!
Welche Unterschiede gibt es beim Dirigieren von Sinfoniekonzerten und Musiktheater-Werken?
Das Dirigieren von Musiktheater-Werken erfordert viel mehr Flexibilität und schnellere Reaktionen als das Dirigieren des sinfonischen Repertoires. In ihnen sind verschiedene künstlerische Elemente zusammengeführt, die oft die Freiheit und den Idealismus der einzelnen Beteiligten einschränken können. Da muss der Dirigent immer wieder den besten Kompromiss finden, um der Inszenierung gerecht zu werden und um die Sänger, Tänzer, Schauspieler und Musiker in ihrem Selbstverständnis des Repertoires zu unterstützen. In einem Sinfoniekonzert liegt die Übernahme der künstlerischen Verantwortung zu einem viel höheren Prozentsatz beim Dirigenten. Auch wird ihm visuell mehr Aufmerksamkeit zuteil, sodass mehr Raum für die Visualisierung und Inszenierung der Musik durch den Dirigenten vorhanden ist.
Was auch immer man spielt, das Können des Dirigenten, sein Wissen über die Musik und seine Kommunikationsfähigkeit sind ein Muss!
Juli 2021
… Lisa von Meyer. Die Leiterin der Zentralwerkstatt ist seit der Spielzeit 2020/2021 als technische Referentin der Geschäftsleitung federführend an der Erstellung und Umsetzung der Hygienekonzepte beteiligt.
Was hat Corona in der vergangenen Spielzeit besonders für Sie verändert?
Corona hat meinen Job und den meiner gesamten Abteilung komplett geändert. Zwischendurch haben wir uns drei Monate in den Werkstätten, in denen wir sonst Hand in Hand arbeiten, gar nicht mehr gesehen. Die gewohnten Abläufe konnten wir nicht mehr einhalten, und wir haben trotzdem noch Bühnenbilder gebaut. Das geht nur mit der Unterstützung und dem Zusammenhalt in meinem Team. Und dann bin ich jemand, die immer alles ermöglichen möchte – und wegen Corona muss ich ständig sagen, das geht so nicht.
Was empfinden Sie beim Wort „Hygienekonzept“?
Ich denke sofort an die gefühlt 25 Partner*innen, mit denen ich mich abstimmen muss. Sei es intern mit den verschiedenen Kolleg*innen aus allen Sparten oder extern mit unseren Ansprechpartner*innen bei den Gesundheitsämtern, mit Betriebsärzten oder den Kolleg*innen in den verschiedenen Spielstätten. Also: Hygienekonzept ist mein neuester Teamsport.
Worauf freuen Sie sich in der nächsten Spielzeit am meisten?
Auf das Weihnachtsmärchen! Wir haben schon angefangen, das Bühnenbild zu bauen – und ich würde mich wirklich von ganzem Herzen freuen, wenn wir dafür wieder Schulklassen ins Haus lassen können!
Juni 2021
… Werner Steinmeier, ehemaliger Produktionsstättenleiter in Flensburg, der sich nach 33 Jahren am Schleswig-Holsteinischen Landestheater in den wohlverdienten Ruhestand verabschiedet hat.
Was war der besondere Reiz an der Arbeit am Landestheater?
Im Theater ist jeder Tag durch den künstlerischen Entwicklungsprozess, der auch außerhalb der Bühne wirkt, anders. Wenn ich in mein Büro kam, wusste ich sehr oft nicht, welche Herausforderungen auf mich zukamen. Der Theaterbetrieb ist so vielfältig und damit abwechslungsreich, dass die Arbeit nie eintönig war.
Wie haben Sie sich als Mann der Verwaltung zwischen all den Künstler*innen gefühlt?
Im Kreis aller Mitarbeiter*innen des Theaters habe ich mich als ausschließlicher Verwaltungsmann gesehen. Mein Ziel war es, eine Verbindung von Kunst und Verwaltung zu schaffen. Künstler*innen und nicht-künstlerische Beschäftigte haben völlig unterschiedliche Aufgaben, Bedürfnisse und Erwartungen, zusätzlich geprägt durch unterschiedliche Nationalitäten. Dafür sollte man sich im gegenseitigen Miteinander unterstützen, respektieren und tolerieren. Ebenfalls hatte die gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Kolleg*innen aus den technischen Abteilungen und den anderen Standorten für mich stets große Wichtigkeit.
Was war Ihr schönster Theater-Moment in all den Jahren?
Einen schönen Moment gab es nicht, sondern viele. Für einen schönen Moment wäre eine 33-jährige Tätigkeit im Theater auch kein gutes Ergebnis. Schöne Momente waren immer die, wenn durch das Zusammenwirken aller eine neue Produktion auf der Bühne das Publikum begeisterte.
Andere schöne Momente waren, Menschen für die Arbeit des Theaters auch abseits der Bühne in unzähligen Gesprächen in Flensburg, Dithmarschen und Nordfriesland zu gewinnen und zu begeistern.
Mai 2021
… Ballettdirektor Emil Wedervang Bruland, der sich im Mai auf weitere Vorstellungen des Tanztheaterabends ZUSAMMEN und auf die Premiere des Familenballetts DES KAISERS NEUE KLEIDER freut
Fühlt sich die Wiederaufnahme von ZUSAMMEN eher wie eine Premiere an?
Nein, es fühlt sich nicht ganz wie eine Premiere an. Es ist sehr aufregend und erfreulich – aber auch ein bisschen nervenzehrend, wieder in den Vorstellungsbetrieb zurückzukehren nach einer so langen Pause. Aber ein bisschen Nerven gehören dazu! Auf jeden Fall freue ich mich sehr, dass wir wieder zusammen sein dürfen und zusammen etwas erleben.
Zieht mit der Probenarbeit zu DES KAISERS NEUE KLEIDER jetzt wieder der übliche Theateralltag ein?
In den letzten Wochen haben wir intensiv am KAISER gearbeitet. Es ist sehr schön gewesen, wieder kreativ zu sein, mit den Tänzern der Compagnie und auch anderen Kollegen im Haus zu arbeiten. Ich glaube, dass wir Ende Mai eine schöne Vorstellung für die ganze Familie auf die Bühne bringen werden und dass wir alle ein bisschen Spaß dabei haben können.
Was ist das Besondere zurzeit bei den Proben?
Wir arbeiten jetzt unter sehr ungewöhnlichen Konditionen und ich finde es immer noch, auch nach einem Jahr, herausfordernd. Kontakt, Nähe und Impulsivität sind für mich sehr wichtige Elemente m Tanz, und sie sind für einen Tänzer eigentlich selbstverständlich. Deswegen fühlt es sich ein bisschen seltsam an, immer ohne Kontakt und mit kalkulierten Abständen zu arbeiten.
Aber wir suchen neue Wege, unsere Arbeit zu präsentieren und warten auf den Tag, an dem wir uns wieder umarmen dürfen.
April 2021
… Linus Buck, seit der aktuellen Spielzeit Chefdisponent des Schleswig-Holsteinischen Landestheaters
Was macht das Planen in Corona-Zeiten besonders schwierig?
Die Unplanbarkeit. Ein Theater ist sehr gut darin, äußerst kurzfristig oder sehr langfristig alles möglich zu machen. Der Zeitraum dazwischen bereitet uns Probleme. Wenn heute Abend ein Notfall eintritt, können wir den auffangen. Wenn in sechs Monaten etwas vollkommen Neues gewünscht ist, können wir das realisieren. Wenn wir nicht wissen, wie es in einem Monat aussieht, haben wir ein Problem, da wir nicht wissen, worauf wir hinarbeiten sollen.
Sind Sie noch bei Plan B oder schon sehr viel weiter im Alphabet?
Ich arbeite seit August am Landestheater; ich glaube, ich war zu dem Zeitpunkt bereits bei Plan D. Nicht mitgezählt die Planungsänderungen, die mein Vorgänger bereits realisieren musste. Ich habe kurzfristig einen Ausflug in das hebräische Alphabet unternommen, um weitere Sortierungszeichen zu bekommen, und war dann bei Plan Aleph-Null. Danach habe ich aufgehört Pläne, zu nummerieren.
Denken Sie noch viel über die aktuelle Spielzeit nach oder stecken sie schon voll in der kommenden?
Das gehört zu den spannenden Dingen derzeit. Mit der aktuellen Spielzeit sollte ich nur noch wenig zu tun haben, mit der nächsten sollte ich seit einem Monat fertig sein und spätestens im nächsten Monat sollte ich mit der Planung der übernächsten beginnen. Der Konjunktiv deutet es bereits an: Die Realität ist, dass alles gleichzeitig passieren muss und nichts im eigentliche Sinne fertig wird.
Das Gute dabei ist jedoch, dass alle Kolleginnen und Kollegen mitziehen und wir diese Situation irgendwie auch gemeinsam bewältigen werden.
März 2021
… Chordirektor Bernd Stepputtis, der seit 2008 den Opern- und Extrachor des Schleswig-Holsteinischen Landestheaters leitet
Wie halten Sie sich in Corona-Zeiten fit für die Kunst?
Fast täglich verbringe ich Zeit am Klavier, meistens um Werke vorzubereiten, die wir für die Zukunft geplant haben. Auf mein eigentliches Instrument – unsere Chöre – habe ich derzeit ja leider keinen Zugriff. Seit zwei Monaten bewege ich mich sozusagen im Bereich der Theorie, die Möglichkeit der praktischen Umsetzung fehlt.
Warum sind Online-Proben z. B. via Zoom nicht möglich?
Ich gebe zu, wir haben das gar nicht erst probiert. Alle Chorleiter*innen, mit denen ich in Kontakt stehe, haben Online-Proben nach kurzem Versuch wieder aufgegeben. Die Arbeit mit Gesangsensembles lebt nun einmal ganz entscheidend davon, dass sich die Sänger*innen physisch nah sind und sich gegenseitig so gut wie möglich hören können. Erst dann ist die Feinjustierung an einem homogenen Klang, an gemeinsamer Phrasierung, Dynamik, Intonation etc. überhaupt erst möglich. Das alles klappt online leider nicht.
Was fehlt Ihnen am meisten?
Seit fast 13 Jahren arbeite ich mit unserem Opern- und Extrachor. In dieser Zeit sind auch vielfältige zwischenmenschliche Beziehungen gewachsen. Häufig geht es in unserem Theateralltag beinahe familiär zu. Ich bin sicher, dass diese Nähe untereinander auch die Qualität unserer Arbeit positiv beeinflusst. Dieses tägliche Miteinander unter dem Himmel der Musik vermisse ich schon sehr! Gleichzeitig freue ich mich auf den Tag, an dem wir wieder unbeschwert unsere Arbeit tun können – ohne Sorgen vor Aerosolen, Inzidenzen und Mutanten.
November 2020
… Kornelia Repschläger, Operndirektorin und Regisseurin von DER SCHAUSPIELDIREKTOR / DIE MATRONE VON EPHESUS – der ersten Opernpremiere der aktuellen Spielzeit
Was hat ein Schauspieldirektor im Musiktheater zu suchen?
Genau das fragen sich die Personen in unserer Flensburger Fassung des Mozart-Werkes auch 🙂
Lachen oder weinen Sie lieber in der Oper?
Eine gute Komödie beinhaltet auch immer Tragik und dem Tragischen wohnt das Komische inne: Also liebe ich beides!
Mit welchen Herausforderungen haben Sie unter Coronabedingungen bei den Proben zu kämpfen?
Ein Stück über erotische Begierden auf Abstand zu inszenieren, ist die bisher größte Herausforderung meiner langjährigen Inszenierungstätigkeit! Wir lassen uns aber dadurch nicht vom Vergnügen abhalten, endlich wieder Musiktheater spielen zu können!
Oktober 2020
… Alexander Marusch, neuer Oberspielleiter Schauspiel und Regisseur von NATHAN DER WEISE
Ist NATHAN DER WEISE aktuell oder zeitlos?
Die Fragen und Konflikte, die das Stück benennt, sind zeitlos. Ich finde, es lohnt sich, auch heute über sie nachzudenken und dafür Handlungsweisen für die Gegenwart abzuleiten.
Spielt während der Proben Corona eine Rolle oder können Sie sich mit dem Ensemble auf das Geschichtenerzählen konzentrieren?
Die Corona-Regeln, unter denen wir das Stück probieren, sind oft Thema bei der Arbeit. Dennoch konzentrieren wir uns auf die Geschichte und versuchen, mit den Abstands- und Hygieneregeln kreativ umzugehen.
„Unter stummer Wiederholung allseitiger Umarmungen fällt der Vorhang.“ – Finden Sie Lessings Ende zu optimistisch?
Lessing beschreibt eine Utopie. Das Wesen jeder Utopie ist es, zu optimistisch zu sein. Wenn man sich die politischen Führer in Ost, West und Nahost ansieht, wünschte ich mir mehr Menschen, die an Lessings Utopie glauben und sich dafür einsetzen.
September 2020
… Martin Apelt, Schauspieldirektor und Ausstatter der Eröffnungspremiere GLÜCKLICHE ZEITEN
Sind Sie glücklich, dass wieder Theater gespielt werden kann?
Auf jeden Fall! Seit Anfang März war es nicht möglich und wir sind ausgehungert. Allerdings ist das Probieren und Spielen nur unter strengen Auflagen möglich. Mindestabstand, regelmäßiges Lüften wie auch das Desinfizieren von Möbeln und Requisiten ist Pflicht. Alle Kollegen sind diesbezüglich sehr diszipliniert und ansonsten hochmotiviert bei der Arbeit.
GLÜCKLICHE ZEITEN zur Eröffnung – ist die Wahl des Stücks mit diesem Titel Wunschdenken, Optimismus oder Zufall?
Außer Zufall von allem etwas – zunächst sollte das Stück WIE IM HIMMEL eröffnen. Über zwanzig singende Darsteller, leidenschaftliche Szenen zwischen Zärtlichkeit und Kampf, all das wäre innerhalb der Hygieneauflagen nicht machbar.
Bei GLÜCKLICHE ZEITEN sind lediglich sechs Schauspieler auf der Bühne, die „Action“ findet hier in Kopf und Seele statt. Der Titel ist ebenso einladend.
Was macht das Stück zur Komödie?
Der Begriff Komödie kommt nicht von „Komödienstadel“, sondern vom Griechischen Kommos, was sich annährend mit Komisch übersetzen lässt. Da aber komisch nicht gleich lustig oder heiter ist, gibt’s oft Missverständnisse in der Erwartungshaltung. GLÜCKLICHE ZEITEN ist kein ausgelassener Schenkelklopfer, aber dennoch sehr unterhaltsam, leicht melancholisch und mit garantiertem Wiedererkennungswert.