Die große Schwester der 3 FRAGEN AN …-Reihe – bei Kaffee und Keksen, manchmal auch bei Bier und Wein, wird hier über die Arbeit auf und hinter der Bühne gesprochen. Im Fokus steht dabei immer die befragte Person und ihr persönlicher Zugang zum Theater.
Antje Weithaas, Violine, spielt im 6. SINFONIEKONZERT den Solopart in Béla Bartóks Violinkonzert Nr. 2 Sz. 112
Wie kam es zu der Auswahl des Stückes, das Sie ab dem 12. April in unserem 6. SINFONIEKONZERT spielen?
Es handelt sich um ein Nachholkonzert aus der Coronazeit. Ich wurde zu einem Konzert an Ihr Haus eingeladen und das musste leider aus pandemischen Gründen abgesagt werden. Es war ursprünglich ein anderes Stück geplant, aber ich habe gebeten, dass wir nun, zum aktuellen Termin, das Violinkonzert Nr. 2 Sz. 112 von Bartók ins Programm nehmen. Ich freue mich sehr, dieses Stück in Flensburg, Rendsburg, Husum und Schleswig spielen zu dürfen. Es ist eines der großartigsten Werke überhaupt.
Was macht das Violinkonzert Nr. 2 Sz. 112 zu einem Ihrer Lieblingstücke?
Das wirklich Spannende an diesem Werk ist, wie Bartók es schafft, auf den Wunsch des Auftraggebers einzugehen und gleichzeitig den eigenen dazu konträren Vorstellungen nachzugehen. Das Werk ist ein Kompromiss. Es wurde ein ganz klassisches Konzert gewünscht und Bartók wollte ein größeres Variationswerk. Es hat also die typischen drei Sätze. Der 3. Satz jedoch ist eine Variation des 1. und er schafft so etwas total Neues und hat eine fantasievolle Lösung gefunden. Zudem vereint es Elemente der Volksmusik, der Avantgarde und ist hochromantisch. Es ist ein Spätwerk Bartóks und sehr düster – es ist 1937-1938 entstanden, also kurz vor dem 2. Weltkrieg.
Können Sie sich an Ihre erste Begegnung mit Bartók erinnern?
Meine erste Begegnung mit ihm war erst relativ spät in meiner Karriere. Ich habe mich lange nicht wirklich an ihn herangetraut. Das hat eine Weile gedauert. Als allererstes habe ich mich mit seiner Kammermusik beschäftigt. Vor einigen Jahren habe ich dann zum ersten Mal sein 2. Violinkonzert gelernt. Es ist eine Herausforderung für den Solisten, für das Orchester und natürlich auch für den Dirigenten.
Worauf darf sich das Publikum ab dem 12. April am meisten freuen?
Das Violinkonzert Nr. 2 ist ein sehr komplexes und durchaus düsteres Werk. Aber es geht nicht darum, die Struktur des Stücks perfekt zu verstehen, sondern sich vor allem emotional auf die Musik einzulassen. Es ist ein facettenreiches, auch sinnliches Stück mit sehr unterschiedlichen Farben und Stimmungen. Es ist schlichtweg wunderbar und zudem eines der feinsten und bedeutendsten Werke des 20. Jahrhunderts.
Können Sie auf der Bühne die Konzentration und Aufmerksamkeit des Publikums spüren?
Auf jeden Fall, das macht Live-Konzerte und Live-Musik so spannend! Es ist immer ein gemeinsames Erleben. Auf der Bühne spürt man, wie intensiv das Publikum zuhört und nur gemeinsam kann man eine besondere Energie entwickeln. Das kann man nie genau planen oder vorhersagen, so etwas entsteht immer aus dem jeweiligen Moment heraus. Das macht ein Live-Konzert für beide Seiten so besonders.
Im Gespräch mit Morgana Alienor Pfeifer
Finja Jens, Vinzenz Hegemann und Steven Ricardo Scholz über das Verhältnis zur eigenen Familie, die Konzeption eines Theaterstücks und LKW
Finja Jens studierte Theaterwissenschaft, Literaturwissenschaft und Kulturmanagement in Berlin, Stockholm und Bremen. Ihr Weg führte sie bereits an das HAU Theater, die Schaubühne am Lehniner Platz Berlin, das Nordwind Festival, zum Henschel Theaterverlag und ans Thalia Theater. Am Staatstheater Darmstadt war sie als Assistentin der Festivalleitung für die Hessischen Theatertage 2017 angestellt. Zuletzt arbeitete sie als Regieassistentin und Regisseurin am Theater Vorpommern. Seit der Spielzeit 2020/2021 ist Finja Jens als Schauspieldramaturgin am Schleswig-Holsteinischen Landestheater engagiert. In der vergangenen Spielzeit inszenierte sie GRETCHEN 89 FF. und führt in dieser Saison die Regie bei KEIN SCHIFF WIRD KOMMEN.
Vinzenz Hegemann ist seit 1993 als freischaffender Bühnen- und Kostümbildner in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Polen und Italien tätig. Zu den zahlreichen Bühnen in Deutschland zählen Braunschweig, Weimar, Karlsruhe, Dresden, Meiningen, Potsdam, Mannheim, Magdeburg und Tübingen sowie für das Musiktheater Konstanz, die Schwetzinger SWR-Festspiele, Altenburg-Gera und Görlitz. Sein Weg führte ihn darüber hinaus bereits ans Landestheater Linz, Schauspielhaus Graz, Tiroler Landestheater Innsbruck, Theater St. Gallen, Teatr Wybrzeże Gdansk, Teatr Polski Poznaniu und Teatro Vascello Rom. Am Schleswig-Holsteinischen Landestheater ist Vinzenz Hegemann in dieser Spielzeit zum ersten Mal beschäftigt.
Steven Ricardo Scholz wuchs in Berlin auf und studierte dort Schauspiel an der Filmschauspielschule Berlin. Seit der Spielzeit 2020/2021 ist er festes Mitglied im Schauspielensemble des SchleswigHolsteinischen Landestheaters. In der aktuellen Spielzeit ist er in ROMEO UND JULIA als Romeo, in FISCHBRÖTCHENBLUES, im Klassenzimmerstück 45. MIN. NETZLOS, in ROBINSON & CRUSOE, in WOYZECK und in KEIN SCHIFF WIRD KOMMEN zu sehen.
Finja, wie hast du dich auf den Stoff des Stückes vorbereitet?
Zu Beginn lese ich als Dramaturgin generell sehr viele Stücke, um den Spielplan zusammenzustellen. Meist merkt man schon auf den ersten Seiten, ob ein Stück „etwas taugt“. Bei KEIN SCHIFF WIRD KOMMEN wusste ich sofort, dass es ein Stück ist, das mich interessiert, mit dem ich arbeiten möchte und das ich verstehe. Das war meine erste Annäherung an die Thematik und Martin Apelt, unserem Schauspieldirektor, ging es da genauso. So war das Stück dann auf unserem aktuellen Spielplan. Als Nächstes kam schon Vinzenz Hegemann als Ausstatter dazu und wurde mein erster Ansprechpartner für die Konzeptionsphase. Wir haben uns dann zusammengesetzt, das Stück gelesen und unsere Gedanken miteinander verbunden. Mein nächster Schritt in der Vorbereitung auf die Proben war eine eigene Fassung zu schreiben und den Entschluss zu fassen, dass ich gerne der Rolle der Mutter, gespielt von Friederike Pasch, einen eigenen Text geben möchte. Als feststand, dass ich eine weibliche Schauspielerin und nicht „nur“ Vater und Sohn besetzen darf, habe ich sofort die Textfassung für drei Personen entworfen.
Vinzenz, wie war dein Prozess der Ausstattung?
Ich habe mich erst einmal mit den Voraussetzungen auseinandergesetzt, die das Bühnenbild am Schleswig-Holsteinischen Landestheater erfüllen muss. Durch die vielen Standorte muss die Kulisse ja viel reisen und daher schnell auf- und abbaubar sein. Im zweiten Schritt haben Finja und ich unsere gemeinsame Ästhetik gesucht und geguckt, was wir beide spannend finden und erzählen wollen. Das Besondere hier ist auch, dass es sich um eine Textfläche handelt, die ohne viele Regieanweisungen auskommt und die Gestaltung des Spielortes für die Zusehenden nicht genau festlegt.
Finja Unser Ort ist wirklich spannend, denn es steht ja durch den Text fest, dass das Stück auf Föhr spielt. Trotzdem wollten wir nicht das Wohnzimmer der Vater-Rolle abbilden, sondern etwas Eigenes finden, das offener ist. Wir versuchten also im realistischen Sinne, einen Raum zu finden, der die ganze Bandbreite des Stücks, die Träume, die Alpträume und die Wünsche des Vaters porträtieren kann.
Steven, wie fühlst du dich in der Rolle des Sohnes, die die Zusehenden ja durch ihre Welt und ihre Gedanken führt?
Das Bühnenbild und das Zusammenspiel mit den Kolleg*innen macht das leichter für mich. Die große Herausforderung für mich, war herauszufinden, wie man die Rolle sympathisch machen kann. Durch die Proben habe ich dann begriffen, dass ich die Rolle gar nicht sympathisch finden muss, sondern nur versuchen muss, sie zu verstehen und mich einzufühlen – das hat es mir leichter gemacht. Es war aber auf jeden Fall eine Herausforderung! Genau wie der Sohn im Stück muss auch ich herausfinden, wie ich die Situationen abbilde und mit ihnen umgehe.
Finja, wie bist du als Regisseurin dann im Probenprozess weiter vorgegangen?
Nach der Konzeption, in der ich mir viele Gedanken gemacht und Ideen festgehalten habe, kommen dann eben die drei Schauspieler*innen dazu, die ihre ganz eigenen Impulse mitbringen. So starten wir in die Probenarbeit. Wir haben dann sechs Wochen Zeit unsere Vorstellungen und Ideen zusammenzubekommen. Ich entscheide dabei oft intuitiv, wie ich zum Beispiel Medien einsetze. Das Stück ist im Text in Tapes gegliedert und so angelegt, dass der Sohn für seine Recherche ein Diktiergerät dabei hat und sich die Gespräche mit seinem Vater am Ende noch einmal anhört. Deshalb geht das Stück auch mit einer Tonaufnahme los und endet damit, dass er sich die Tonaufnahme mit seinem Vater noch einmal gemeinsam anhört.
Steven, wie gehst du mit dieser Familiengeschichte um, die viele Momente und Konflikte zeigt, die jede Person wahrscheinlich in ihrer eigenen Familie schon einmal erlebt hat?
Ich glaube, dass mir genau diese Stellen im Spiel leichter fallen, weil ich sie verstehen kann. Auch ist die Rolle des Sohnes gar nicht so weit entfernt von mir. Mein Vater ist zum Beispiel auch LKW-Fahrer (lacht) und ich komme auch aus Berlin. Außerdem schreibt der Sohn ja Theaterstücke und ich bin Schauspieler, wir arbeiten also beide in kreativen Bereichen. Auch seine genervte Grundeinstellung kann ich teilweise verstehen und dann gut spielen.
Vinzenz Das Stück behandelt auch genau diese Distanz und Nähe, die in vielen Familien eine große Rolle spielen. Am Theater reist man ja viel, ist in vielen verschiedenen Städten unterwegs und dabei die Verbindung zu den Liebsten nicht zu verlieren und trotzdem eine gesunde Distanz zu wahren, ist nicht leicht.
Im Gespräch mit Morgana Alienor Pfeifer
… Klaus Chatten und Aaron Rafael Schridde über den Entstehungsprozess von #ZAUBER.LEHRLING, Theater im Klassenzimmer und Chai Latte im Café Größenwahn
Klaus Chatten studierte Schauspiel, Regie und Szenisches Schreiben am Max-Reinhardt-Seminar in Wien und am Actor’s sowie HB Studio in New York. Er arbeitete daraufhin in Deutschland und Russland (mit Anatolij Wassiliew) an großen Häusern wie dem Schiller Theater, dem Maxim Gorki Theater und dem Deutschen Theater Berlin. Nach 45 MIN. NETZLOS und MEIN TODSICHERER PLAN FÜRS LEBEN findet in der aktuellen Spielzeit bereits zum dritten Mal ein Klassenzimmerstück als Auftragswerk in seiner Uraufführung am Schleswig-Holsteinischen Landestheater statt.
Aaron Rafael Schridde absolvierte sein Schauspielstudium an der Schule für Schauspiel Hamburg. Noch während der Ausbildung spielte er 2020 seine erste Produktion am Theater Zeppelin in Hamburg. Als freier Schauspieler war Aaron Rafael Schridde in verschiedenen Fernsehproduktionen zu sehen und als freier Sprecher tätig. Nachdem er in der Spielzeit 2021/2022 bereits als Gast am Schleswig-Holsteinischen Landestheater in ALADIN UND DIE WUNDERLAMPE und ROBINSON & CRUSOE zu sehen war, folgte in der aktuellen Spielzeit die Aufnahme ins feste Ensemble.
Klaus, wie ist es, ein Stück zu inszenieren, das man selbst geschrieben hat?
Das ist das einfachste. Man muss sich so nämlich nicht in den Geist von jemandem hineinversetzen, der einem nicht so liegt. Man muss dann keine Interpretation herstellen. Viele Autoren inszenieren deswegen ja ihre eigenen Stücke. Das sind dann häufig Inszenierungen, in denen kein externer Interpretationsansatz oder Konzept steckt und das tut den Stücken meist gut. Da kommt meist keine klarere Aussage raus. Es sind 75 bis 80 Inszenierungen meiner Stücke aufgeführt worden und immer wenn dann ein Konzept dazugefügt wurde, hat es mich als Dramatiker durchzuckt und der Textinhalt wurde weniger. Wenn ich Regie mache, diene ich ja dem Text und dem Schauspieler. Das ist das, was ich mir als Autor wünsche, alles andere gefällt mir nicht. Nicht bei mir und auch bei anderen oft nicht.
Wie war dein Weg zum Autor?
Ich habe als Schauspieler angefangen und hatte dann das Gefühl, dass in mir Geschichten sind, die ich erzählen muss und die ich bis dahin noch nicht in Geschichten finden konnte – so habe ich angefangen zu schreiben.
Wie kam es zu #ZAUBER.LEHRLING?
Die Idee und dann auch der Auftrag, #ZAUBER.LEHRLING zu schreiben, kam vom Schauspieldirektor Martin Apelt. Er wünschte sich ein Stück, das das Gedicht „Der Zauberlehrling“ von Goethe mit Cyberkriminalität und Darknet verbindet. #ZAUBER.LEHRLING ist ein Auftragswerk des Schleswig-Holsteinischen Landestheaters.
Welche Unterschiede zu Erwachsenenstücken stellst du beim Inszenieren eines Klassenzimmerstücks fest?
Der größte Unterschied ist tatsächlich der Aufführungsort. Es fällt im Klassenzimmer alles an Lichttechnik weg, was man hier zum Beispiel aus den Kammerspielen gewohnt ist. Letztendlich ist Theater jedoch immer Theater. Bei Klassenzimmerstücken hat man ein sehr unbestechliches Publikum, genauso wie beim Weihnachtsmärchen von Bettina Geyer zum Beispiel. Erwachsenes Publikum ist da manchmal komplizierter. Die haben oftmals schon Vorstellungen vom Stück oder eine bestimmte Erwartung, die erfüllt werden soll. Kinder sind nicht voreingenommen.
Was findest du einfacher?
Für Jugendliche zu schreiben, finde ich heute tatsächlich einfacher. In den letzten Jahren hat es meiner Meinung nach einen hohen Kunst- und Bildungsanspruch im Theater gegeben, aufgrund dessen sich viele Dramatiker Wissen und Intelligenz „zusammengooglen“ und erst dann schreiben. Ich will unvoreingenommen schreiben, so wie es aus mir herauskommt. Schreiben für rein erwachsenes Publikum ist schwieriger geworden, finde ich. Das kommt vielleicht auch aus einer Übersättigung. Die Menschen wollen im Theater ja in eine Kunstwelt fliehen und sich nicht mit der Realität auseinandersetzen. Das ist auch für Schauspieler schwer, denke ich, immer kunstvoller, im wahren Sinne des Wortes, zu werden.
Wie hast du den Probenprozess von #ZAUBER.LEHRLING wahrgenommen, Aaron?
Am Anfang war ich noch ziemlich zurückhaltend, habe den Text ein paar Mal gelesen und war ehrlich gesagt skeptisch, wie wir den Inhalt umsetzen würden. Ich brauche immer diesen Moment im Probenprozess, wo ich dem Text, der Regie und der Dramaturgie voll vertrauen kann und danach passiert die Umsetzung organisch. Mit Klaus hat genau das total gut funktioniert, wir kamen gemeinsam erstaunlich gut in den Text und die Umsetzung rein. Es ist lustig, ein Stück zu spielen, das sich darum dreht, dass Johann, unser Protagonist, das Gedicht nicht auswendig lernen will. Da habe ich mich manchmal gefragt, ob das gerade tatsächlich „ich“ bin, der den Text nicht lernen möchte oder Johann.
Gibt es einen Moment, der euch in eurer Zusammenarbeit besonders im Kopf geblieben ist?
Klaus Chatten: Für mich sind das besonders die Momente, in denen Aaron meine Regieeinfälle durch seine eigenen Einfälle und Schauspielimpulse erweitert und selbst umsetzt.
Aaron Rafael Schridde: So ist das auch für mich, gerade die Momente, die ich am Anfang im Stück für weniger theatral gehalten habe, haben sich als viel physischer und lebendiger und weniger filmisch herausgestellt. Da wusste ich dann, da bewegt sich etwas im Prozess. Ich bewege mich, wortwörtlich.
Gab es große Unterschiede im Arbeitsprozess zu deinem letzten Stück am Schleswig-Holsteinischen Landestheater, 45 MIN. NETZLOS, auch ein Klassenzimmerstück?
Da gab es tatsächlich große Unterschiede zu 45 MIN. NETZLOS, das Schauspieler Steven Ricardo Scholz und ich durch Improvisation erarbeitet haben. Das benötigt sehr viel mehr Zeit. Ich denke, da war es hilfreich, dass wir beide Schauspieler sind. Man versteht und unterstützt sich dann besser auf der Bühne und kann sich besser einfühlen.
Zum Schluss eine kleine Insider-Frage aus dem Stück: Wie sähe euer Café Größenwahn aus?
Klaus Chatten: Mein Café Größenwahn sähe sehr wave-mäßig aus. Wo Egos sich treffen und Leute, die besonders sein wollen, hingehen, um ihr Ego zu pflegen.
Aaron Rafael Schridde: Ich denke dort wird auch sehr viel Chai Latte getrunken und es gibt natürlich WLAN, damit man dort am MacBook arbeiten kann (lacht).
Im Gespräch mit Morgana Alienor Pfeifer
… Moritz Nikolaus Koch und Dennis Habermehl über Woyzeck, Ästhetik und die Wahrheit der zwei großen Ts.
Moritz Nikolaus Koch absolvierte seine Schauspielausbildung in Buenos Aires und Berlin. Seine ersten Engagements führten ihn unter anderem an das Junge Theater Göttingen, das Schauspielhaus Zürich und die Landesbühne Hannover. Ab 2007 war er für 13 Jahre festes Ensemblemitglied am Theater für Niedersachsen in Hildesheim und stand dort als Werther, Mephisto, Mercutio und Hamlet mit vielen Klassikern auf der Bühne. Als Regisseur debütierte Moritz Nikolaus Koch 2016/2017 am TfN mit der Inszenierung von DIE LÄCHERLICHE FINSTERNIS von Wolfram Lotz. Neben seiner Arbeit auf und vor der Bühne ist Moritz Nikolaus Koch sowohl zweifacher Vater als auch Bühnenmusiker. Mit seinem Freund und Schauspieler des Schleswig-Holsteinischen Landestheaters, Dennis Habermehl (Titelrolle in WOYZECK), spielt er in der Punk-Band „Tygermob“.
Moritz, seit wann wusstest du, dass du WOYZECK inszenieren würdest?
So grob geschätzt, seit circa eineinhalb bis zwei Jahren. In der konkreten Vorbereitung für dieses Stück bin ich seit Mai/Juni letzten Jahres. Seit Marcel Weinand mit der Ausstattung an Bord ist, wurde es konkret und ich habe begonnen mich richtig reinzufuchsen.
Wie kam es dazu, dass WOYZECK in deiner Inszenierung mit Musik von Tom Waits aufgeführt wird?
Es gibt diese sehr bekannte Fassung von WOYZECK aus dem Jahr 2000, da hat Robert Wilson mit Tom Waits und Kathleen Brennan zusammengearbeitet. Uraufgeführt wurde diese Fassung dann in Kopenhagen im selben Jahr. Die Version schreibt genau vor, welche Stücke vorkommen und wann welches Musikstück in der Inszenierung gespielt wird, daran halten wir uns. Ich liebe Tom Waits schon sehr lange und habe mir genauso lange schon gewünscht, WOYZECK in dieser Fassung zu inszenieren.
Wie hast du dich auf die Inszenierung vorbereitet?
Ich habe wenig gelesen, ehrlich gesagt. Ich habe es in der Schule das erste Mal behandelt und WOYZECK dort schon richtig gern gemocht. Da gehörte ich zu den richtigen Nerds. Die anderen Büchner-Texte kannte ich auch schon ganz gut, aber für WOYZEKC habe ich mir jetzt ehrlicherweise null Sekundärliteratur durchgelesen. Ich habe mich mit ein paar Themen befasst, wie beispielsweise Femizid. Darüber habe ich viel gelesen. Das war mir wichtig! Dass man mit diesem Thema keine Dummheit macht. Ansonsten habe ich mich einfach mit dem Stückinhalt befasst und seit wir das Ausstattungsmaterial hatten, habe ich es immer und immer wieder gelesen und Ideen und Fantasien entwickelt. Ich bin auf keinen Fall ein Regisseur, der am Schreibtisch alles durchchoreografiert. Ich habe meinen Geschmack und meine Ästhetik und ich weiß grob, um was es mir in jeder Szene geht, aber ich arbeite nicht mit riesigen Bücherstapeln. Die biografischen Daten von Büchner zu kennen, helfen mir da weniger.
Ich habe die Inszenierung während meines Probenbesuchs als sehr bildgewaltig erlebt, wie schützt du dich vor der Brutalität und Themengewalt, die das Stück mit sich bringt?
Ich muss mich da gar nicht schützten. Ich gehe zurzeit aus jeder Probe raus und bin total happy. Im Theater geht es ja darum, etwas zu fühlen. Es geht um Empathie! Und die anzuregen, ist ja etwas Tolles. Wenn die Schauspieler*innen Tod oder Gewalt so eindringlich spielen, dass ich weinen muss, dann ist das für mich toll. Ich muss mich da nicht reinigen und will es auch gar nicht wieder loswerden.
Wie reinigst du dich, Dennis?
Für mich ist das Spielen auch die Reinigung. So halb im Scherz sage ich oft: Therapie und Theater haben den gleichen Anfangsbuchstaben. Ballast und Schmerz aus dem Privatleben kann man beim Spielen ja gut auf der Probe und auf der Bühne lassen. Dazu braucht man natürlich auch eine Technik, man macht sich da ja abhängig von seinen Gefühlen – aber kann ja eigentlich froh sein, wenn man da Gefühle entdeckt und etwas fühlen kann. Man muss sich da nicht zwingend schützen.
Gibt es eine Szene, von der du deine Ästhetik schon verraten kannst?
Ich arbeite sehr gern und viel mit Licht. Wo Licht ist, ist natürlich auch Schatten und damit erzähle ich gerne Geschichten. Das Mittel „Schattenspiel“ gefällt mir sehr gut, denn viele Dinge kann man im Theater schlecht zeigen. Dazu zählen vor allem Sex und Gewalt. Bei Gewalt sieht man oft, dass sie choreografiert ist und die Darstellung von Sex auf der Bühne wird sofort für alle Anwesenden peinlich. Eine Art und Weise, wie man beides allerdings gut darstellen kann, ist Schatten. Der erzeugt eine Abstraktion, die es erträglich macht. Diese Ästhetik wende ich in WOYZECK auf alle Gewalt und allen Sex an und lege ihn hinter einen Schatten. Beim Ausstattungskonzept haben wir uns von expressionistischer Malerei inspirieren lassen und deshalb dann auch Marcel Weinand gefragt. Ihn kenne ich bereits aus anderen Produktionen. Unsere Ästhetik soll ein wenig ins Absurde und Groteske abdriften, das ist unser gemeinsames Ding. Da freue ich mich drauf.
Morgana Alienor Pfeifer
… Wolfgang Hofmann über Gerechtigkeit, Recht und Gulasch aus der Konserve.
Wolfgang Hofmann inszeniert seit vielen Jahren sowohl im Musik- als auch im Sprechtheater. Zu seinen letzten Stationen gehörten unter anderem das Staatstheater Braunschweig, das Schauspiel Frankfurt, das Theater Lübeck, das Theater Bremen, das Oldenburgische Staatstheater sowie die Bad Hersfelder Festspiele. Am Theater der Stadt Heidelberg und am Stadttheater Bremerhaven war er als Oberspielleiter engagiert. In der aktuellen Spielzeit 2022/2023 inszenierte er am Schleswig-Holsteinischen Landestheater bereits das Stück WIE IM HIMMEL von Kay Pollak. Nun ist er mit dem von Ferdinand von Schirach verfassten Gerichtsdrama TERROR zurück.
Herr Hofmann, was macht ethisch-moralische Fragen so interessant für die Bühne?
Sie sind deshalb interessant, weil wir ja alle fundiert oder manchmal auch unfundiert urteilen müssen und jeder Mensch, denke ich einmal, eine Vorstellung davon hat, was er für gerecht oder ungerecht hält. Und wir sind permanent von ethischen Fragen umgeben. Ist es gerecht, dass meine Portion Kuchen kleiner ist als Ihre? Und warum ist das so? Diese Grundfrage, die, um es pathetisch zu sagen, die Menschheit seit Anbeginn beschäftigt, also eben wer bekommt das größte Stück vom besagten Kuchen und warum ist es so, die bewegt uns. Im Stück TERROR ist die Beschäftigung damit besonders groß, da wir am Ende als Publikum ja aufgefordert sind, mit unserer hoffentlich fundierten Meinung von Gerechtigkeit öffentlich zu werden. Von daher glaube ich, dass – im Stück zugespitzt – diese Thematik in vielen Bereichen des Lebens anzutreffen ist.
Legt gerade diese Diskussion nicht den Grundstein für Gerechtigkeit und für Gerichtsbarkeit?
Ja, wenn man die Geschichte der Gerechtigkeit und des Rechts betrachtet, dann können das zwei sehr unterschiedlich definierte Begriffe sein. Als der Mensch angefangen hat, Sprache zu verschriftlichen, zum Beispiel organisatorische Listen, die festlegen, wie viel Getreide, Öl oder Soldaten man hat, war natürlich die Formulierung und Fassung von Gesetzen auch mit das Erste, das man regelte. Wir erinnern uns aus dem Geschichtsunterricht an den Gerichtscodex des Hammurapi, wir erinnern uns an die Zehn Gebote, wir erinnern uns an die vielen Notwendigkeiten, Recht in Worte zu fassen und so Interpretationen nicht offenzulassen. Ich bin der Meinung, dass wir in einem permanenten Prozess der Definition von Recht und Gerechtigkeit stecken müssen. Es gab ja auch Zeiten, in denen großes Unrecht als vermeintliches Recht ausgelegt wurde und dass die Gerechtigkeit, die wir heute erfahren, häufig eine Diskrepanz zum Recht aufmacht. Und damit muss man lernen, umzugehen. Das ist schwer und manchmal möchte man brüllen vor Wut. Deshalb müssen wir immer dabeibleiben und uns jeden Tag und in jeder Situation, die sich mit diesem Thema befasst, zu einer für uns begründeten gerechten Lösung kommen.
In der Theaterwissenschaft heißt es oft, Gericht, Theater und Dramaturgie hätten den gleichen Ursprung.
Das stimmt. Wenn Sie an den Ursprung denken, was vor 2500 Jahren zu Papier beziehungsweise zu Papyrus gebracht wurde, sind es Fragen zu Recht und Gerechtigkeit. Denken Sie an Antigone oder Ödipus. Wie kann sich das Publikum, abgesehen vom Willen der Götter, damit befassen, was in diesen Stücken vorkommt? Dahinter steht auch immer die Frage, was gerecht und was ungerecht ist. Antigone wird immer sagen, ich bin im Recht, weshalb mein Urteil auch gerecht ist, und heute würden wir vielleicht sagen, das ist ein ganz ungerechtes Recht, das da angewendet wird. Die Gerichtsdramaturgie, die findet im Laufe der Theater- und Literaturgeschichte oft statt. Es gibt sehr viele Stücke, die genau diese Konflikte behandeln: DER ZERBROCHNE KRUG, DER KAUKASISCHE KREIDEKREIS oder DER PRINZ VON HOMBUR, das sind beispielsweise alles Vorläufer. Wer verhält sich richtig? Auf wen muss ein Gesetz angewendet werden und wer wird ein gerechtes Verfahren erhalten und über wen wird ein gerechtes Urteil gesprochen? Das sind Fragen, die sich hier in jedem Stück stellen.
Wie haben Sie die Sprache im Stück inszeniert, gerade bei TERROR, das so abhängig von der gerichtlichen Sprachnorm ist?
Genau, es passiert bewegungsmäßig wenig. Die Leute sitzen viel, nur kleine Gänge werden gemacht. Es ist kein Theaterzauberstück, in dem Verwandlungen, eine nach der anderen daherkommen. Es fahren keine Züge, die Vorhänge fallen und öffnen sich nicht. Es wird viel geredet und da müssen wir sehen, dass dieses Sprechen für den Zuschauer auf der einen Seite Inhalte transportiert, denn es soll ja ein Urteil gefällt werden und das muss verständlich bleiben. Auf der anderen Seite wollen wir keine szenische Lesung veranstalten, sondern die Nöte, wo sie denn vorkommen, die Absichten der Rollen, wo sie denn vorkommen, wie es so in einem Theaterstück ist, nachvollziehbar zu machen. Da ärgert man sich mal als Figur oder denkt, man habe schon gewonnen. All diese psychologischen Seiten, die möglich sind in diesem Text und Stück, versuchen wir an die Frau und an den Mann zu bringen. Ansonsten könnte man es sich auch vorlesen lassen und das wäre fürs Theater deutlich zu wenig. Es geht natürlich auch darum, wie man Sympathien verteilt. Diese haben einen immensen Einfluss auf die Figuren und das Urteil. Wenn der Angeklagte beispielsweise besonders sympathisch ist, stimmt das Publikum anders ab, als wenn er sehr unsympathisch ist. Mit diesen Vorgängen setzen wir uns viel auseinander.
Wie viel Macht hat diese Sympathie, die den Rollen zuteilwird, wenn es am Ende um ein gerechtes Urteil gehen soll?
Wir versuchen während des Abends ein Gleichgewicht der Argumente auf der sachlichen Ebene und ein Gleichgewicht der Argumente auf der emotionalen Ebene herzustellen. Damit das Publikum am Ende der Verhandlung auf dieser berühmten Waagschale der Justizia steht. Wir arbeiten im Moment daran, selber in den Szenen nach Möglichkeit keine Bewertung vorzunehmen, die das Publikum zu einer bestimmten Entscheidung lenkt. Da hat es uns der Autor auch oft nicht leicht gemacht (lacht). Wir müssen es jedoch schaffen, dass nicht der Eindruck entsteht, der Angeklagte sei so nett, dass man ihn keinesfalls verurteilen wollen würde oder aber so unsympathisch, dass man ihn unbedingt hinter Gittern sehen möchte. Das gilt auch für die andere Rollen.
Der Roman von Ferdinand von Schirach wurde bereits für das lineare Fernsehen verfilmt und mit einer Abstimmung verbunden. Wo sehen Sie den Unterschied zur Inszenierung live auf der Bühne?
Live ist natürlich immer besser als aus der Konserve, wie man so schön sagt. Das ist wie bei Gulasch, selbst gemacht ist besser als aus der Konserve (lacht). Auf der Bühne ist natürlich alles dreidimensional, während das Erlebnis im Fernsehen zweidimensional ist. Auch wird man im Theater weniger abgelenkt, indem man sich beispielsweise ein Bier aus dem Kühlschrank holt. Man ist auch mehr auf die eigene Meinung und auf sich selbst angewiesen, da man sich nicht mit anderen austauschen kann, während der Inszenierung. Eine Debatte wäre da sehr interessant und ich hoffe, nach der Vorstellung auch ins Gespräch zu kommen. Die Entscheidungen der Zuschauer sollen gerne
nach der Aufführung untereinander diskutiert werden.
Gab es unerwartete Momente während des Probenprozesses hier am Schleswig-Holsteinischen Landestheater?
Stücke sind ja immer ein schöner Anlass, sich nochmal neu und anders mit Themen zu befassen. Ich habe sehr viel im Voraus gelesen und auch während der Proben beispielsweise ein Gespräch mit einem Piloten geführt, der bei der Luftwaffe ist und mit diesem Dilemma tatsächlich konfrontiert werden könnte. Wir haben auch ein Gespräch mit der ehemaligen Präsidentin des Oberlandesgerichts aus Schleswig geführt. So hatten wir tatsächlich beide Perspektiven. Diese Eindrücke werde ich sicher lange nicht vergessen.
Morgana Alienor Pfeifer
… Philippe Besson.
Der Regisseur von FRACKING FOR FUTURE! entstammt einer großen Theaterfamilie: Sein Vater Benno Besson prägte als Schauspieler, Regisseur und Intendant über Jahrzehnte die Theaterwelt in West und Ost, seine Geschwister Katharina Thalbach und Pierre Besson sind einem breiten Film-, Fernseh- und Theaterpublikum bestens bekannt. Philippe Besson ist als freier Regisseur an europäischen Theatern beschäftigt und inszeniert zum ersten Mal am Landestheater.
Wenn man in eine solche Familie hineingeboren wird, muss man dann zwangsläufig auch einen Theaterberuf ergreifen? Oder neigt man eher zum Gegenteil?
Ich habe schon als Kind meinen Vater ins Theater begleitet, kleine Rollen gespielt und war natürlich angefixt. Eigentlich wollte ich gerne gleich am Theater bleiben, aber ich habe mich zunächst nicht getraut, das zuzugeben. Also habe ich gesagt, ich mache etwas ganz anderes – allerdings auch nicht so einen Durchschnittsberuf. Damit wollte ich nicht gegen meinen Vater rebellieren, das war auch schwer, denn ich fand seine Art, Theater zu machen, so toll. Ich habe also eine Ausbildung zum Matrosen der Binnenschifffahrt angefangen, das Berufsbild hatte ich ein wohl romantisch verklärt. Aber ich habe es durchgezogen, zwei Jahre Ausbildung bis zum Facharbeiterbrief, der bis heute mein einziges „Diplom“ ist.
Mein Vater fand das spannend und hatte auch keine Vorbehalte, zumal er am Theater in Ost-Berlin häufig Arbeiter aus ganz anderen Berufen involvierte. In der DDR war es ohnehin Voraussetzung, einen „ordentlichen“ Beruf zu lernen, bevor man auf die Schauspielschule oder zum Studium ging. Mein Bruder ist zum Beispiel Tischler – nur bei meiner Schwester war das anders, sie hat schon immer gespielt.
Nach meiner Ausbildung habe ich dann ganz andere Jobs übernommen, unter anderem Wein verkauft oder auf dem Bau gearbeitet. Die Erfahrungen haben mir für meine heutige Arbeit am Theater ganz sicher nicht geschadet! Schließlich dauerte es aber noch ein paar Jahre, bis ich mich „geoutet“ habe und ans Theater gegangen bin.
Arbeiten Sie lieber als Schauspieler oder Regisseur?
Ich bin gar kein Schauspieler – ich bin da als Familienmitglied oder als Assistent immer wieder so reingerutscht, weil ich gerne spiele. Als Assistent konnte man kurzerhand mal übernehmen, wenn zum Beispiel ein Schlussmonolog noch nicht besetzt war. Die einzige Inszenierung, in der ich ausschließlich gespielt habe, war HASE HASE in der Komödie am Kurfürstendamm im Schillertheater Berlin, sozusagen eine Familienproduktion.
Den Regieberuf habe ich von der Pike auf gelernt: Ich habe meinem Vater viel zugesehen, habe hospitiert, war zweiter Regieassistent, erster Regieassistent … Und als Regisseur darf ich ja immer alle Rollen spielen – wenn auch im Hintergrund und ohne Publikum.
Was war Ihre erste eigene Inszenierung?
Das war 1992 DER JUNGE IM BUS, ein Kinderstück am Landestheater Salzburg, also vor 30 Jahren. Meine Leidenschaft ist es, Theater für Kinder zu machen, auch wenn das zurzeit in den Hintergrund tritt.
Hilft Ihnen der in Theaterkreisen berühmte Nachname oder ist er hinderlich?
Ja, möglicherweise war der Name manchmal eine Eintrittskarte für ein erstes Gespräch. Aber dann waren die Blicke um so kritischer, ob ich nur so heiße oder auch was kann. Teilweise musste ich mich dann bei der Arbeit umso mehr beweisen. Heute ist Benno Besson jüngeren Generationen von Theatermachern gar nicht mehr so geläufig, da ist es nur noch ein einfacher Nachname.
Sie waren Oberspielleiter am Ulmer Theater und am Theater Junge Generation in Dresden, haben dazwischen lange die Kinder- und Jugendtheatersparte am Potsdamer Hans Otto Theater geleitet und arbeiten seit mehr als zehn Jahren frei – was bevorzugen Sie: das Festengagement oder das freie Arbeiten?
Die Zeit als Spartenleiter am Hans Otto Theater war toll, die Zusammenarbeit und das Verbinden von verschiedenen Ensembles oder die Spielplangestaltung dort. Nach zwei Jahren in Dresden habe ich jedoch gemerkt, dass ein Festengagement nichts mehr für mich ist. Ich bin immer besser, wenn ich den Blick von außen mitbringe. Frei zu arbeiten ist ja ein Luxusleben: Ich finde neue Leute vor, ein tolles Stück, habe sechs Wochen Spaß und gehe dann wieder nach Hause. Es ist hart, lange an einem Haus zu sein, und manches aus- und durchzuhalten zu müssen.
Meiner Schwester und mir wurden durchaus schon Intendanzen angetragen, und wir warnen uns dann immer gegenseitig, „Mach das bloß nicht!“.
Sie sagen, Theater für Kinder und Jugendliche sei Ihre Leidenschaft. Was ist das Besondere
daran?
Kindern nur eine Szene mitzugeben, die sie fasziniert und die ihre Sichtweise verändert – und sie wissen vielleicht später gar nicht mehr, woher das kam –, dieses unterbewusste Weitergeben ist es, was ich am Kindertheater liebe!
Das Gespräch führte Susanne Lemke.